HISTORICAL EXCLUSIV Band 22
geerbt haben.“ Lord John Beauchamp lehnte sich in seinem Stuhl zurück und betrachtete Wolf eingehend. „Wenn meine Erinnerung mich nicht im Stich lässt, seid Ihr ein wenig zu jung, um John zu sein.“
„John ist mit meinem Vater umgekommen“, sagte Wolf ruhig.
Der Marquess war sichtlich erschüttert. „Warum seid Ihr jetzt hier? Was ist der Anlass Eures Besuches?“, fragte er.
„Ich hoffte auf Eure Hilfe, Windermere wiederzuerlangen und den Namen meines Vaters reinzuwaschen“, antwortete Wolf mit Bedacht. „Ich war nicht sicher, wie …“
„Ich werde Euch helfen“, sagte der Marquess, ohne zu zögern. Er stützte sich auf die Armlehnen seines Stuhls und stand auf. „Ich habe immer gedacht, dass faule Machenschaften im Spiel waren, dass es nicht bloß Straßenräuber gewesen sein konnten, so wie man uns glauben machen wollte. Für mich besteht kein Zweifel, dass Euer Onkel Clarence es geplant hat, Eure Familie auf dem Festland auszulöschen. Ich bin mir außerdem sicher, dass er – oder vielleicht auch Philip – verantwortlich zeichnet für das Vorhaben, König Heinrich IV. während des Glendower Aufstandes töten zu lassen.“
„Habt Ihr dafür Beweise?“, fragte Wolf, erstaunt über Lord John Beauchamps überraschende Offenbarung.
„Nein.“ Der Marquess schüttelte den Kopf. „Aber ich kannte Euren Vater und seinen Bruder sehr gut in unserer Jugendzeit. Clarence neidete Bartholomew den Titel und die Ländereien von Windermere. Konnte es nicht ertragen, dass nichts von alledem jemals ihm gehören würde. Ich habe nie daran gezweifelt, dass Clarence fähig wäre, einen Betrug – oder schlimmer noch: einen Mord – zu begehen, um sich das zu nehmen, was er wollte. Und er wollte Windermere.“
„Wir kommen gerade von Windermere“, sagte Wolf.
„Ach, wirklich?“ Der alte Mann hob die Augenbrauen. „Ihr solltet Euch vor Eurem Cousin Philip in Acht nehmen. Er ist genauso ein krankhafter Geist wie sein Vater, obwohl Clarences Taten gewöhnlich von seinem Neid herrührten. Er hasste Euren Vater.“
Das wusste Wolf.
„Philip ist eine Bestie von ganz anderem Schlag“, bemerkte der Marquess, während er zur Vorderseite des Tisches ging.„Es gab da ein paar widerliche Zwischenfälle, die selbstverständlich alle vertuscht wurden.“
„Mylord, Lady Agatha ist noch am Leben“, sagte Wolf.
Der Marquess war sichtlich verblüfft. „Wir hörten, dass sie schon vor Jahren gestorben sei.“
„Sie gab Lady Kathryn dies“, sagte Wolf, indem er den Lederbeutel mit dem Siegelring und dem Brief hervorholte. „Agatha bat sie, dafür zu sorgen, dass ich es bekomme. Dann verschwand sie.“
„Wie das?“
Wolf erzählte ihm, wie Kathryn Agatha getroffen hatte. „Sie muss von Anfang an in die Verschwörung gegen meinen Vater verwickelt gewesen sein“, schloss er. „Aber ich verstehe nicht, warum sie Philip gerade jetzt verraten will.“
„Das frage ich mich auch.“ Der Marquess dachte nach. „Ich möchte vermuten, dass sie im Grunde genommen wie eine Gefangene im Castle lebt. Ich denke, ihre Beziehung zu Philip war nie besonders gut. Deswegen hat sie wahrscheinlich, als sie Euch in Windermere sah, einfach die Gelegenheit genutzt.“
„Aber woher wusste sie, wer ich war?“
„Es mag Euch nicht bewusst sein, aber Ihr seid das genaue Abbild Eures Vaters.“
„Warum hat Philip ihn dann nicht erkannt?“, fragte Nicholas, als Wolf den Siegelring auf Lord John Beauchamps Arbeitstisch legte.
Der Marquess zuckte die Schultern. „Es ist schon zwanzig Jahre her. Ich bezweifle, dass es ihm jemals in den Sinn käme, einer von Lord Bartholomew Colstons Söhnen könnte von den Toten auferstehen.“ Er betrachtete das in den Ring eingravierte Bild. „Das ist Bartholomews gestohlenes Siegel“, sagte er und schaute auf. „Agatha hatte es?“
Wolf nickte. „Agatha hatte auch dies versteckt.“ Der Marquess of Kendal setzte sich an den Tisch und begutachtete das brüchige, verblasste Pergament, das ihm vorgelegt wurde, mit einem Stirnrunzeln.
Nachdem er das alte Schriftstück geprüft hatte, lehnte er sich in seinem Lehnstuhl zurück. „Es wird geradezu lächerlich einfach sein“, sagte er lächelnd. „Wann brecht Ihr nach London auf?“
Kathryn hatte Wolf und die anderen Männer seit ihrer Ankunft nicht mehr gesehen und fragte sich, wo sie sein mochten. Sie vermisste ihren schweigsamen Begleiter und wünschte, ihn für seine unerquickliche Gesellschaft in den letzten zwei Tagen zu
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