HISTORICAL EXCLUSIV Band 22
worden und Douglas Henley sicher gefallen, wenn meine ‚glücklichen Treffer‘, wie Ihr sie nennt, nicht gewesen wären!“
Der Marquess verfolgte schweigend den Fortgang des Streitgesprächs und fragte sich, warum Wolf die junge Frau so herausforderte. Sie war mit Recht aufgebracht darüber, dass er ihre Hilfe während des Überfalls so herabsetzte. Des Marquess’ Neugier war geweckt. Was ging vor zwischen den beiden? Warum verhöhnte Wolf sie so? Der Marquess nahm sich vor, dies herauszufinden, wenn nicht in Kendal, dann gewiss in London.
„… und außerdem ist es unziemlich für eine Lady, rittlings auf einem Pferd zu sitzen …“ Wolf war jetzt dazu übergegangen, ihr eine wichtigtuerische Strafpredigt zu halten, „… und wahllos Steine zu schleudern, in der Hoffnung, vom Feind nicht bemerkt zu werden. Wenn ich nicht gesehen hätte, wie dieser Schurke Euch in den Wald schleppte, hätte Euch weit mehr zustoßen können als …“
„Ich habe Euren Rettungsversuch über mich ergehen lassen!“, erwiderte Kathryn aufgebracht. „Mit ein wenig mehr Zeit hätte ich mich selbst befreien und fliehen können. Es war nur …“
Wolfs mildes Lächeln erzürnte sie noch mehr. Lady Mary beugte sich zu ihrem Mann hinüber und legte in dem Versuch, Kathryn zu beruhigen, die Hand auf ihren Arm.
„Sollen wir Damen uns zurückziehen?“, fragte Lady Mary. „Wir werden die Männer für eine Weile sich selbst überlassen.“
Die Reise nach London verlief höchst unerfreulich. Kathryn bestand darauf, auf ihrer eigenen Stute zu reiten. Einer der Männer ritt immer neben ihr. Wenn Wolf sie überhaupt ansprach, was selten geschah, war er schroff. Und jedes Mal, wenn er in ihre Richtung blickte, zog er spöttisch die Brauen hoch.
Dieser Mann war so unerträglich, dass sie es nicht erwarten konnte, nach London zu kommen und ihn endlich los zu sein.
Und doch war ihr ganz elend zumute, als sie Westminster erreichten. Sie fürchtete sich davor, Wolf Adieu zu sagen, und vermisste seine streitsüchtige Art schon jetzt. Angesichts seines baldigen Abschieds fühlte sie sich den Tränen wieder gefährlich nahe. Sie hatten schon so viel zusammen durchgestanden, dass es ihr fast vorkam, als würde sie ihn schon jahrelang kennen. Was sollte sie bloß ohne ihn machen?
Kathryns Ankunft am Hofe des Königs war so von Zweifeln und Trostlosigkeit überschattet, dass sie die Herrlichkeit des Palastes und die Tatsache, dass der König selbst sie herbefohlen hatte, gar nicht zu schätzen wusste. Sie widmete ihre Aufmerksamkeit dem Abladen ihres Gepäcks und der Unterbringung ihrer Stute, nur um nicht daran denken zu müssen, dass sie Wolf bald nicht mehr sehen würde. Einmal, als ihre Blicke sich zufällig trafen, meinte sie, etwas in seinen Augen aufblitzen zu sehen … doch es war schnell verschwunden, und sie glaubte sich getäuscht zu haben. Nur zu gut wusste sie, dass es diese Annalise war, die seine Augen zum Leuchten brachte … und nicht irgendein einfaches Mädchen vom Lande.
Lady Maude Teasdale, eine entfernte Verwandte des Königs aus dem Hause Lancaster, begrüßte die Reisegesellschaft im Burghof und empfing Kathryn. Während die Lady einen kurzen Bericht von Sir Gerhart über den Verlauf der Reise erhielt, nahm der Marquess of Kendal Kathryn beiseite.
„Es kommt mir so vor“, sagte er, „als ob Ihr etwas Zeit benötigen werdet, um Euch bei Hofe einzuleben. Sollten irgendwelche … Schwierigkeiten auftreten, könnt Ihr Euch getrost auf mich verlassen. Ich bin hier nicht ganz ohne Einfluss …“
„Habt Dank, Euer Lordschaft“, antwortete Kathryn und stellte sich auf die Zehenspitzen, um seine Wange zu küssen. Seine wohl gemeinten Worte schienen ihr den Abschied zu erleichtern. „Ich werde mich an Euch wenden, wenn ich Euch brauche.“
„Und an mich, Lady Kathryn“, fügte William hinzu. „Ich stehe Euch ebenfalls zur Verfügung.“
„Daran werde ich denken“, sagte sie mit einem traurigen Lächeln. „Ihr und Lady Mary wart sehr liebenswürdig.“
„Und Ihr, Sir Gerhart?“, fragte Kathryn zögernd, da sie ihn nicht im Streit gehen lassen wollte und hoffte, ihm ein freundliches Wort entlocken zu können. „Werdet Ihr auch für mich da sein, falls ich Eurer bedarf?“
Wolf biss sich auf die Lippe und wandte sich ihr zu. „Ich möchte meinen, dass Ihr schon Fürsprecher im Überfluss habt, Mylady“, sagte er barsch. „Ihr werdet meiner nicht bedürfen.“
Lady Maude brachte Kathryn schnellstens in
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