HISTORICAL EXCLUSIV Band 22
Felsen gesäumt war und die Sonne im Westen sank, wurde die Gruppe in Schatten gehüllt.
Alle sechs Männer stiegen ab.
„Ist alles … in Ordnung … Euer Gnaden?“, fragte Sir Edward und warf Nicholas einen Blick von der Seite zu. Kathryn wurde sich plötzlich bewusst, dass sie ahnten, wo Wolf und sie gewesen waren und was sie dort gemacht hatten. Sie errötete.
Wolf musterte sie. Jeder Einzelne von ihnen war peinlich berührt.
„Alles ist in bester Ordnung“, sagte Wolf. Sein Lächeln verunsicherte einige der Männer – daran waren sie bei ihm nicht gewöhnt. „Was für unheilvolle Nachrichten bringt ihr, dass ihr in diesem halsbrecherischen Tempo reitet? Habe ich mich nicht erst heute Morgen von dir verabschiedet, Nicholas? Welche Neuigkeiten hast du aus Windermere?“
„Es gibt vieles, worüber wir reden müssen, Wolf“, antwortete Nicholas. Er war nun weniger beschämt als ernst. „Als die Dämmerung einsetzte, machten sich einige von uns über euer Ausbleiben Sorgen. Zunächst hat man Hugh Dryden schon seit drei Tagen nicht mehr gesehen.“
Alle Männer sahen zornig aus, und sogar Wolf schwand das Lächeln.
„Außerdem sind ein paar von Philips Kumpanen in der Stadt gesehen worden, aber immer verschwunden, bevor sie festgenommen werden konnten“, berichtete Nicholas weiter. „Ich habe keine Ruhe, bis du mit deiner Lady sicher in den Burgmauern bist.“
„Erzähl mir den Rest während des Ritts“, erwiderte Wolf und half Kathryn in Janus’ Sattel.
Noch bevor Nicholas sein Pferd bestieg, sagte er: „Baron Robert Wellesley und seine Tochter erwarten euch schon in Windermere, ebenso Baron Somers und drei seiner Leute.“
„Somers!“, rief Wolf. „Das hätte ich mir denken können …“
„Wolf!“, schrie Kathryn, als ein Pfeil an ihr vorbeiflog und die lederne Tasche durchbohrte, die vor ihr am Sattel hing. Janus bäumte sich auf, und Kathryn beugte sich vor in seine dichte Mähne, konnte sich aber nicht festhalten. Kurz bevor Wolf die Kontrolle über das riesige Pferd wiedererlangte, schoss ein weiterer Pfeil vorbei, Kathryn stürzte zu Boden und blieb ohnmächtig liegen.
Da Wolf fürchtete, Kathryn könne bei dem Durcheinander zertrampelt werden, warf er Janus’ Zügel schnell Nicholas zu und eilte, um Kathryn unter den Hufen des Pferdes hervorzuziehen. Er hob sie vom Boden auf, trug sie zu den Bäumen und schützte sie mit seinem Körper vor den Pfeilen, die überall um sie herum flogen. Die meisten Reiter suchten sich ebenfalls Deckung und führten ihre Pferde eilends in den Wald. Drei Leute schlichen sich allerdings zu Fuß von hinten an, um die Bogenschützen zu jagen, die sich in den Bäumen am Felsen versteckt hatten. Einige von Wolfs Männern schossen schon Pfeile in Richtung der östlich gelegenen Anhöhe, konnten ihre Gegner aber nicht entdecken. Der Baumbewuchs und die langen Schatten verbargen die Angreifer recht erfolgreich.
Wolf ließ sich auf dem Boden nieder und hielt Kathryn immer noch in den Armen. Sie kam schnell wieder zu Bewusstsein. „Kathryn, geht es dir gut?“, fragte er. Mit seinen großen Händen strich er ihr sanft das Haar aus der Stirn.
„Ja.“ Sie verzog das Gesicht, als sie sich bewegte. „Ich habe nur ein paar Prellungen.“ Ihr Kopf schmerzte, und eine Beule wuchs auf ihrem Hinterkopf. Knöchel, Hüfte und Schulter auf ihrer linken Seite taten ihr ebenfalls weh, doch Kathryn hatte in ihrem Leben schon Schlimmeres erlebt. Sie würde diese kleine Begebenheit überleben, so wie all die anderen auch.
Wolf blieb nicht so ruhig. Ungebetene Bilder von dem Angriff und der Ermordung seiner Familie zwanzig Jahre zuvor tauchten vor seinem inneren Auge auf. Er wollte vor Wut darüber laut aufschreien, dass seine Leute – möglicherweise die bestausgebildete Truppe in ganz England – nicht in der Lage gewesen waren, Kathryn vor dieser Verletzung zu bewahren. Er schwor sich, nie wieder in eine solch gefährliche Lage zu kommen.
„Wo bist du verletzt, Kathryn?“, fragte er sanft, während er ihren Kopf untersuchte.
„Mein Schädel tut etwas weh, aber sonst ist nichts, Wolf. Mir geht es gut.“
„Zeig mir, wo du verletzt bist.“
„Nein, Wolf. Nicht hier – mit all deinen Leuten um uns herum.“
„Keiner ist in unserer Nähe, Frau“, beteuerte Wolf. „Zeig mir deine blauen Flecken.“
Kathryn lockerte ihr Oberteil, damit Wolf ihre Schulter begutachten konnte. Dann zog sie ihre Röcke hoch und gewährte ihm einen Blick auf die Prellungen
Weitere Kostenlose Bücher