HISTORICAL EXCLUSIV Band 22
Vergangenheit erinnert wurde. Allein die Tatsache, dass er am Tag zuvor den Gefangenen hatte auspeitschen müssen, hatte ihn hart getroffen. Dennoch war es nötig gewesen; es war das Wenigste, das der Meuchelmörder verdiente. Nun, nach einer unangenehmen Nacht in den Kerkern, würde der Mann sicher eher zum Reden geneigt sein.
Lucien betrat eine kleine Kammer, in der bereits Agravar mit dem gefesselten Übeltäter wartete. Sogleich bemühte er sich, seine strengste Miene aufzusetzen.
„Mylord“, sagte Agravar und verbeugte sich respektvoll. Lucien hätte am liebsten über die übertriebene Unterwürfigkeit seines Freundes gelacht. Der Wikinger spielte seine Rolle ausgezeichnet. Daher nickte er nur.
„Hat sich der Gefangene dazu entschlossen, uns zu sagen, wer ihn beauftragt hat?“
„Er verhält sich immer noch töricht, Sir.“
„Dann kann ihm nicht mehr geholfen werden. Sicher war die Belohnung hoch, die man ihm gezahlt hat, sonst wäre er seinem Herrn nicht so treu ergeben. Was für ein Pech.“
„Aye, Mylord. Obwohl Ihr es ausdrücklich verboten habt, muss ich zugeben, dass ich ihn zu bestechen versuchte. Ich bot ihm eine hohe Summe, doch er lehnte ab.“
Tatsächlich hatten sie die fehlgeschlagene Bestechung vorher abgesprochen, doch vor dem Gefangenen wollte Lucien nicht als ein Mann erscheinen, mit dem man handeln konnte.
„Wirklich?“, fragte er streng. „Ich werde mich um eine passende Bestrafung für dich kümmern, Agravar, wenn wir hier fertig sind.“
Der Wikinger beugte sein Haupt in gespielter Schande.
Beiläufig sagte Lucien: „Keine noch so dicke Börse könnte Loyalität von einem Wegelagerer wie diesem kaufen, denn für die richtige Münze würde er seine eigene Mutter verraten.“ Aber Angst könnte ihn dazu bringen, seinen Auftraggeber zu verraten, dachte Lucien. „Wir könnten ihn töten, aber dann wissen wir genauso wenig wie zuvor.“
„Das ist wahr“, stimmte Agravar zu.
Lucien gab vor, eine Weile nachzudenken. „Ich wünsche den Tod dieses Mannes nicht“, sagte er, während er den Gefangenen aus dem Augenwinkel beobachtete. Hoffnung und Neugier blitzten in den Augen des Schurken auf.
„Lass ihn frei“, befahl er. Agravar tat so, als sei er entsetzt über diese Anweisung. Der Gefangene sah zum ersten Mal auf.
„Ich soll ihn befreien?“, fragte Agravar.
„Aye, wir werden ihn zu seinem verbrecherischen Leben zurückkehren lassen. Trotzdem werden wir ihm eine neue Herausforderung geben. Wir werden das Gerücht verbreiten, er habe uns alles über seinen Herrn berichtet und wir hätten ihn im Gegenzug freigelassen.“ Er grinste boshaft. „Niemand wird ihm glauben, wenn er es leugnet. Warum sonst hätten wir ihn auch gehen lassen sollen?“
Der Mann sprang unvermittelt auf. „Nein!“, rief er.
Insgeheim atmete Lucien erleichtert auf.
„Er … er wird mich abschlachten, Mylord. Ich bitte Euch, lasst mich ihm nicht als Verräter gegenübertreten müssen. Er kennt die grausamsten Strafen, viel schlimmere als Ihr, Mylord. Er wird mein Mädchen töten, und ich habe auch einen Sohn.“
Lucien warf ihm einen eisigen Blick zu. „Du kennst die Bedingungen.“
Der Gefangene ließ den Kopf hängen. „Aber meine Familie.“
„Wir können sie beschützen, sie an einen anderen Ort bringen, wo sie sicher sind.“
Der Mann schwieg, während er offenbar seine Möglichkeiten überdachte. „Ich werde Euch seinen Namen sagen, wenn Ihr versprecht, meine Familie von hier wegzubringen.“
„Wer hat dich geschickt, um mich zu ermorden?“
Die Antwort bestätigte Luciens Vermutungen. „Garrick of Thalsbury.“
„Wir werden uns an die Abmachung halten“, sagte Lucien zu Agravar, bevor er sich zum Gehen wandte. Am liebsten wäre er die dunklen Stufen hinaufgerannt, zurück ans Tageslicht. Nachdem diese grässliche Angelegenheit erledigt war, dachte er nur noch an Alayna.
Er begab sich geradewegs zu ihrer gemeinsamen Kammer, wo sie zu dieser Stunde üblicherweise nähte. Enttäuscht musste er feststellen, dass der Raum leer war.
Müde ließ er sich vor dem Kamin nieder. Wie verlassen dieser Ort doch ohne sie wirkte. Der Morgen hatte ihn angestrengt, da ihn der Kerker allzu sehr an seine Vergangenheit erinnert hatte. Wann würde er dies alles endlich hinter sich lassen können? Seufzend lehnte er sich gegen die Wand und schloss die Augen.
Alayna. Wenn sie ihn doch in ihren Armen willkommen heißen würde, wenn sie nur statt der heftigen Vorwürfe sanfte Worte in sein
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