HISTORICAL EXCLUSIV Band 22
sagen, doch dann sah sie all seine Qualen, die ihm deutlich ins Gesicht geschrieben standen.
„Weißt du, wer dich küsst, Mylady? Wer ist es, der dich umarmt?“ Seine Stimme klang rau, und er schüttelte sie unsanft. „Sag es. Sag, wer ich bin.“
„Lucien de Montregnier“, flüsterte Alayna, doch er schüttelte den Kopf. „Meinen Titel.“
„Lord of Gastonbury“, wisperte sie. Ihr Blut schien ihr in den Adern zu gefrieren, als sie sein kaltes, bitteres Lachen hörte. „Nein, Mylady, in Wahrheit bin ich etwas ganz anderes. Ich bin ein Sklave. Wusstest du das – ein Sklave?“
Endlich ließ er sie los. Alayna versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Ein Sklave? In der Waffenkammer hatte er gesagt, dass er am Todestag seines Vaters gefangengenommen worden sei. Man hatte ihn als Sklaven verschleppt!
Vor wenigen Augenblicken hatte er noch von seinem nordischen Meister gesprochen, der für seine Grausamkeit bekannt war. Konnte er wirklich all die Jahre als Sklave gelebt haben? Zum ersten Mal fürchtete sie sich nicht vor ihm, sondern vor der Wahrheit, die er ihr enthüllen würde. Schwankend stand er vor ihr und lächelte sie bedauernd an.
„Weißt du, was ich heute getan habe?“, lallte er. „Ich peitschte einen Mann aus, der versuchte, mich zu ermorden.“ Wieder lehnte er sich näher zu ihr, als ob er ihr ein Geheimnis anvertrauen wollte. „Weißt du, wie viele Male ich als Sklave ausgepeitscht wurde? Nein, du kannst es gar nicht wissen. Nicht einmal ich weiß es, denn es war öfter, als ich zählen kann.“ Sie wandte sich betroffen ab. „Und heute musste ich dasselbe einem anderen Mann antun. Kannst du dir vorstellen, wie es für mich war?“
Er schwieg, und Alayna verstand, was er fühlte. „Du musstest es tun, Lucien“, sagte sie sanft, während eine Träne ihre Wange hinunterrollte.
„Aye.“ Er blickte zu Boden. „Ich darf nicht schwach erscheinen.“ Wieder trat der Schmerz in seine Augen, während er an einen weit entfernten Ort zu blicken schien. „Nicht einmal jetzt.“
Sie legte eine Hand auf seinen Arm, unter dem sich die Muskeln spannten, und fragte sich, wie sie ihn jemals für unverwundbar hatte halten können. Ihr Mitgefühl überwältigte sie, und zu ihrer beider Überraschung zog sie ihn plötzlich in die Arme. Sanft legte sie die Hände auf seine Schläfen und bot ihm ihre Lippen zum Kuss.
Lucien schloss die Augen. Er wusste, dass sie heute ihm gehören würde. Doch er konnte sie nicht lieben, nachdem er so viel getrunken hatte. Sein Verlangen würde ihn wild machen, und vielleicht würde er ihr Schmerzen zufügen.
Unvermittelt schob er sie von sich. „Ich bin müde.“ Dann trat er einen Schritt zurück und begann sich auszukleiden. Alaynas Wangen färbten sich rot. Eilig schlüpfte sie in das Bett und drehte ihm den Rücken zu. Lucien löschte die Kerze, bevor er sich neben ihr niederlegte.
Als Alayna am folgenden Morgen erwachte, schlief Lucien immer noch tief. Leise stand sie auf, zog sich an und ging in die Küche hinunter. Dort ließ sie Wasser erhitzen und stellte sicher, dass es angenehm warm war. Dann befahl sie einigen Dienstboten, die Eimer zurück in die Kammer zu bringen, ohne ihren Lord zu wecken.
Zurück im Herrengemach, entzündete sie schweigend das Kaminfeuer und räumte die auf dem Boden verstreute Kleidung auf. Dabei ließ sie die Fensterläden geschlossen, um Luciens Ruhe nicht zu stören. Schließlich wachte er auf und blickte sie mit geschwollenen Augen an.
„Welche Stunde ist es?“, fragte er heiser.
„Es ist schon spät am Morgen, Mylord“, erwiderte sie. Lucien fuhr sich mit einer Hand durch sein zerzaustes Haar, anschließend stellte er verwundert fest, dass er noch immer seine Hosen trug.
„Ich habe Euch Wasser bringen lassen. Es steht am Kamin, damit es nicht abkühlt.“
Als er aufstand, schwankte er einen Moment, bevor er sein Gleichgewicht wiederfand. Er konnte sich nur noch wenig an die Geschehnisse des Vorabends erinnern. Hoffentlich hatte er sie nicht zu rau behandelt!
„Wünscht Ihr, dass ich Agravar rufe?“
„Wozu, zum Teufel, sollte ich Agravar brauchen?“, fragte er. „Ich werde ihn ohnehin bald in der Halle treffen.“
„Ich dachte nicht, dass Ihr heute die Kammer verlassen wolltet. Ich meine, da Ihr so krank seid …“
„Ich bin nicht krank“, widersprach er schwach, während er sich auf unsicheren Beinen ankleidete. „Lass mich lieber allein, bevor ich wieder etwas sage, das die Fehde zwischen uns neu
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