Historical Exclusiv Band 44
sein? Kann ich dem nicht entkommen?“
„Entkommen? Was meinst du damit?“
„Ich will frei sein. Wie ein Mann.“
Solay erschauerte bei diesem Gedanken. Wie lebten denn Männer mit der Macht? Beugen konnten sie sich nicht, also brachen sie. Besser war es, sich anzupassen. Aber Jane liebte Bücher und Pferde. Es hatte ihr nie gefallen, eine Frau zu sein.
„Keiner von uns hat das Leben gewählt, das die Sterne uns gaben“, sagte Solay und ließ einen Finger über den samtenen Einband des Stundenbuches ihrer Mutter gleiten, das die Karten der Planeten enthielt. Nun, da es ihr vom König verboten war, verlockte sie dieses Thema mehr denn je.
„Ebenso wenig, wie wir uns unsere Eltern aussuchen können“, seufzte Jane.
„Oder unsere Ehemänner.“ Solay nahm das Buch in die Hand. „Vielleicht erlaubt Mutter, dass ich es mitnehme. Hast du etwas dagegen?“ Sie hatte ihre Schwester das Lesen gelehrt, aber Jane war ein größerer Bücherwurm geworden, als sie es je gewesen war.
Jane schüttelte den Kopf. „Es sollte dir gehören. Du studierst die Sterne.“
„Mit mäßigem Erfolg.“ Aber vielleicht besser, als es ihr bewusst war. Sie hatte etwas über die Geburt des Königs herausgefunden, das nicht einmal er selbst gewusst hatte. Und etwas über ihre eigene. „Jane, ich habe herausgefunden, wann ich geboren wurde. Es war am Sankt-Johannis-Tag!“
„Was ist mit mir?“, fragte Jane und lächelte nun endlich. „Wann wurde ich geboren?“
Die Frage brach Solay beinahe das Herz. Dieses Mädchen wollte lieber ein Geburtsdatum als einen Ehemann. „Ich weiß es nicht, aber ich werde es herausfinden.“ Vielleicht würde Justins geheimnisvolle Wäscherin auch Janes Frage beantworten können. „Ich verspreche es.“
Fünf Tage später hielt Solay ihrer Mutter das Buch mit dem samtenen Einband hin, während diese ihre letzten Kleider in die Reisetruhe legte. „Darf ich das mitnehmen, Mutter?“
Ihre Mutter, die sich aus Büchern nie etwas gemacht hatte, nickte. „Wenn du möchtest. Aber pass gut darauf auf. Die Bücher und der Schmuck sind leicht zu transportieren und leicht zu verkaufen. Dieses hier würde fast ein Pfund bringen, wenn wir es brauchen sollten.“
Als Solay den Deckel der Truhe schließen wollte, hielt ihre Mutter ihre Hand fest. „Die Brosche sollte dir gehören“, sagte sie. „Ich werde sie behalten, solange ich kann.“
Solay nickte. Das Schmuckstück würde sie ernähren müssen, falls ihrem Gemahl das nicht gelang.
„Du musst dafür sorgen, dass der König und dein Gemahl dir gewogen bleiben. Wir werden sie im nächsten Jahr brauchen.“
Von einer dunklen Vorahnung erfasst, sah Solay ihrer Mutter in die Augen. Sie war kein Kind mehr und durfte nicht damit rechnen, wie eines umsorgt zu werden. „Dieser Mann, er ist nicht wie die anderen.“
„Alle Männer sind gleich. Sogar ein König. Finde heraus, was dieser Mann will, und gib es ihm.“
„Wie soll ich das machen? Wie hast du es gemacht?“
Ihre Mutter blickte aus dem Fenster, als sähe sie die Vergangenheit in den Wolken, die über das winterlich braune Gras hinwegzogen, das sich hier und da durch den Schnee schob. „Als die Königin starb, brauchte der König Trost, aber er wollte, dass die Menschen ihn auch weiterhin als Krieger achteten. Also war es nötig, dass ich …“, sie verstummte und suchte nach dem richtigen Ausdruck, „… eine begehrenswerte Frau darstellte.“
Solay fragte sich plötzlich, ob es ihre Schwester und sie nur gab, um zu beweisen, dass der König mit ihrer Mutter das Bett geteilt hatte. „Was wolltest du?“
Ihre Mutter richtete den Blick wieder auf Solay. „Ich habe bekommen, was ich wollte. Er machte mich zur Lady der Sonne.“
Und was will ich, fragte sich Solay, während sie ihre Schwester und ihre Mutter zum Abschied umarmte.
Als der Wagen anfuhr, beladen mit der Truhe, die ihre gesamte Habe enthielt, hatte sie noch keine Antwort gefunden. Es zählte nicht. Was sie für sich selbst wünschte, war nicht wichtig. Sie musste für ihre Familie sorgen.
Doch einen Moment lang fragte sie sich, was die Sterne wohl für ihr Leben vorhersahen. Sie ließ ihren Wunsch mit dem Wind davonwehen. Der Himmel hielt Antworten für Länder und Könige bereit. Astrologen studierten die Muster der Sterne, um Hinweise auf Christus und das Jüngste Gericht zu finden, auf Kometen und Kriege, nicht, um einzelne Lebewesen zu trösten.
Jetzt jedenfalls war ihr Schicksal, zumindest bis Ostern, eng mit
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