Historical Exclusiv Band 44
anschneiden könnte.
„Ihr wolltet wissen, was ich mag“, begann sie. „Ich bin gern auf dem Wasser.“ Als Kind war sie gern mit den Fähren gefahren. Wie hatte sie das vergessen können?
Statt eines Lächelns entlockten ihre Worte ihm ein Stirnrunzeln. „Warum?“
„Warum muss es einen Grund geben für das, was ein Mensch mag?“ So wie die Sterne ihr Hoffnung schenkten und die Sonne ihr Mut verlieh, so schien das Wasser ihr Frieden zu geben. Sie lächelte. „Mögt Ihr das Wasser nicht?“
„Nein.“
Sie fragte nicht nach dem Grund, da sie ahnte, dass es ein schmerzliches Thema für ihn war. Vielleicht war er nicht seefest. „Eine Reise zu Wasser ist so viel leichter als über Land. Und man kann die schöne Aussicht genießen.“ Als sie um die Flussbiegung fuhren, erstreckte sich London vor ihren Augen, so wie damals, als sie ein Kind war und zum Haus ihrer Mutter reiste. „Ich habe die Fahrt von Westminster zu unserem Haus in London immer geliebt.“
„Mir sagtet Ihr, Ihr hättet in Windsor gelebt.“
Sie unterdrückte ihren Unmut wegen seiner Anspielung, sie könnte gelogen haben. „Wir lebten da, wo der König lebte, aber Mutter besaß ein Haus in London.“ Wenn der Hof sich in Westminster oder im Tower aufhielt, wurden Jane und sie zu dem Haus am Fluss gebracht. Seit Jahren hatte sie nicht mehr daran gedacht, aber jetzt erinnerte sie sich an das Plätschern des Flusses, das sie in den Schlaf gesungen hatte.
„Wo stand das Haus?“
„In der Nähe der Cannon Street.“ Sie stützte die Arme auf den Rand des Bootes und spähte voraus. „Da! Wir können es beinahe sehen!“
In der Hoffnung, einen Blick darauf erhaschen zu können, beugte sie sich vor.
Er packte sie so heftig, dass sie beinahe nach vorn gefallen wäre. Das Boot schaukelte, und der Fährmann rief ihnen zu, sie sollten sitzen bleiben und sich in der Mitte halten.
Sein Griff presste ihr die Luft aus den Lungen, als er sie auf seinen Schoß zog seine Arme fühlten sich an wie eiserne Ketten.
„Was macht Ihr da?“, fuhr er sie an. „Beinahe wärt Ihr ins Wasser gefallen!“
Sie rang nach Luft und roch seinen Duft, wie frisches Holz, vermischt mit der kalten Luft und dem Geruch des Wassers.
„Ich bin in meinem ganzen Leben noch nie über Bord gefallen“, sagte sie, als sie wieder zu Atem gekommen war. „Ich versuchte nur, unser altes Haus zu sehen.“
Aber er hielt sie fest, bis das Boot am Stadttor anlegte und Justin sein Schwert dem Torwächter gab.
Am Flussrand lebte gewöhnlich der raue Teil der Gesellschaft, doch hinter diesem Tor betraten sie eine geschützte Straße, die von verschneiten Gärten umgeben war. Statt Seeleuten und Straßendirnen war die Straße voll von gebildeten Männern, die miteinander sprachen, manche begleitet von Dienern.
„Das ist nicht das London, an das ich mich erinnere“, meinte sie. „Wo sind wir hier?“
Sein Lächeln kam von Herzen. „Möglicherweise werden die Gesetze in Westminster gemacht, aber die Männer des Gesetzes kommen aus dem Middle Temple.“
Sie sah sich wieder um und machte sich auf Hörner und Bocksfüße gefasst.
Ohne ihre Fragen abzuwarten, fuhr er fort: „Wir essen, schlafen, studieren, diskutieren, arbeiten und wohnen hier. Es ist Universität, Zuhause und Arbeitsplatz.“ Seine Stimme klang feierlich. „Hier sprechen wir über die wirklich wichtigen Dinge.“
„Was kann wichtiger sein als der Wille des Königs?“
„Wahrheit und Gerechtigkeit. Richtig und Falsch.“
Was könnte sie ihm zu Gefallen sagen? Er verstand gar nichts. Was war daran gerecht, wenn man alles verlor, was einem rechtmäßig gehören sollte? Was war wirklich wichtig, abgesehen von dem Wunsch nach Essen, Kleidung und einem Dach über dem Kopf?
Ein gut gekleideter junger Mann ging an ihnen vorüber und grinste. „Eure Buße für diese hier wird teuer werden.“
„Was meint er?“, fragte sie, erleichtert, dass sie Justin nun nicht mehr antworten musste.
Er errötete. „Die einzigen Frauen, die normalerweise hierherkommen, gehen hier ihrem Gewerbe nach. Das Bußgeld für Ausübung der Unzucht in den Kammern liegt bei sechs Schillingen acht Pence.“
Sie wurde rot und dachte an die vergangene Nacht. Hätte er sich verführen lassen, so hätte die Buße der Summe für einen Yard Wollstoff entsprochen.
Er zeigte ihr die Halle, die Kammern, die Kirche, und sie tat so, als interessiere es sie, wo Tanz unterrichtet wurde, wo zusammen gegessen, wo das Recht gelehrt wurde, und
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