Historical Exclusiv Band 44
er etwas unternahm, um sich allein durchs Leben zu schlagen. Norah hatte keine Versprechungen gemacht. Sie hatte ihn aus großen, traurigen Augen angeblickt und ihm prophezeit, er werde sie vergessen, sobald er den Fuß auf ein Schiff gesetzt habe. Aber er glaubte das nicht. Die langen, heißen Herbstnächte, die er mit ihr in den Wiesen und Wäldern erlebt hatte, würden nicht so leicht aus seinem Gedächtnis verschwinden.
„Jack, hört Ihr mir zu?“ Sarahs Stimme verriet etwas von ihrer Aufregung.
„Ja, ich werde die andere Seite der Klippe hinunterreiten und die Straße blockieren. Ich gebe vor, verletzt zu sein, falls jemand daherkommt.“
„Geht kein Risiko ein. Haltet sie nur auf, und schlagt kräftig Lärm, um mich zu warnen.“
„Das werde ich sicher schaffen. Ihr seid diejenige, die vorsichtig sein muss.“
Sie lenkten ihre Pferde nahe aneinander und umarmten sich wortlos. Dann ließ Sarah Brigand wenden und ritt die steile Seite der Klippe hinab zur Straße.
Sie hatte Jack gegenüber nicht zugeben wollen, dass sie bei diesem letzten Überfall ebenfalls kein gutes Gefühl hatte. Sarah versuchte sich einzureden, dass es nur Aberglaube war, weil sie wusste, dass es das letzte Mal war. Dennoch erfasste sie eine böse Vorahnung, als sie sich der Straße näherte.
Die Welt, die ihr noch so verheißungsvoll vorgekommen war, als sie heute Morgen mit Anthony im Bett lag, hatte sich verdüstert. Es hatte den Anschein, als ob sie von ihm verführt und zum Narren gehalten worden wäre. Sarah war ehrlich genug, zuzugeben, dass sie ihr Liebeserlebnis selbst gewollt und es auch genossen hatte. Aber sie hatte ihm auch ihr Herz geschenkt. Sie fragte sich, ob Anthony bei Hofe Erzählungen über seine Eroberungen in Yorkshire zum Besten geben würde, wenn er nach London zurückkehrte.
Zumindest sah es auf den ersten Blick so aus, als ob es heute Nacht eine leichte Angelegenheit sein würde. Im hellen Mondlicht sah sie, dass nur ein Mann mitfuhr, ein älterer Herr, der sich an die Wand der Kutsche lehnte und offensichtlich schlief. Sie konnte sich keine besseren Umstände wünschen.
Gewöhnlich ging Sarah bei ihren Überfällen so vor, dass sie ihr Opfer erst sorgfältig beobachtete und dann abwartete, bis der Mond hinter einigen Wolken verschwand, um sich einen weiteren kleinen Vorteil zu verschaffen. Heute Nacht hielt sie diese zusätzliche Vorsichtsmaßnahme nicht für nötig. Die Beute schien sicher. Außerdem würde es jetzt nichts mehr ausmachen, wenn das Opfer eine bessere Beschreibung des maskierten Banditen bekäme als üblich. Nach dieser Nacht würde der Straßenräuber von Yorkshire sowieso nie wieder zuschlagen.
Sarah versteckte sich hinter einer Gruppe von Bäumen, die gerade günstig an einer Straßenbiegung standen, und wartete.
Es war, als ob ihr Hengst den richtigen Augenblick selbst kannte. Sie brauchte ihn kaum anzuspornen. Er galoppierte auf die Straße, sodass sich die beiden Zugpferde vor Schreck aufbäumten. Der Kutscher hatte alle Hände voll zu tun, um sie zu bändigen, und Sarah hatte reichlich Zeit, um auf ihn zuzureiten und neben ihm zu halten.
Sie hielt ihren Säbel in der linken Hand bereit, und mit der rechten richtete sie eine Feuersteinpistole auf seine Brust. „Bleibt stehen, und ergebt Euch!“, rief sie mit verstellter Stimme, die tief aus der Brust kam.
Der Kutscher nahm die Zügel der immer noch tänzelnden Pferde in die linke Hand und hob die rechte hilflos hoch. „Schießt nicht!“, flehte er mit zitternder Stimme.
Sarah verspürte eine Woge freudiger Erregung. Es handelte sich offensichtlich um zwei ältere Herren, von denen keine törichten Heldentaten zu erwarten waren. Sie konnte sich eines leichten Sieges sicher sein.
Ein Herr mit einer riesigen weißen Perücke stieß mit dem runden Gesicht gegen die Wand der Kutsche. „Was ist los?“ Er klang schläfrig und verärgert.
Sarah beobachtete den Kutscher scharf, während sie Brigand ein paar Schritte zurücklenkte. „Euer Geld und Euren Schmuck!“, rief sie.
„Großer Gott“, stammelte der Mann. „Schießt nicht, Schurke! Ich bin nur ein armer Landadliger.“
Allein die Perücke des Mannes war fünfzig Guineen wert, und Sarah nahm Kenntnis von der prächtigen neuen, gefederten Kutsche, die den modernsten Komfort bot. Er mochte ein Landadliger sein, aber er war nicht arm. „Rückt heraus, was Ihr habt!“, forderte sie und schwang ihren Säbel, „oder ich spieße Euch fürs Frühstück auf.“
Der
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