Historical Exklusiv Band 06
Braut erblickt."
"Darauf verwette ich meine besten Pferde", stimmte der andere zu. "Und nicht nur wegen der beklagenswerten Unkenntnis der Dame in einer zivilisierten Sprache. Cromwell hat ihn ganz schön in die Irre geführt, als er Seine Majestät zu einer protestantischen Heirat überredet hat. Wenn der König Anna von Cleve reizvoll findet, küsse ich eine Kuh."
"Und nach all dem Aufhebens und dem Gepränge, das uns in Greenwich bevorsteht, hat er sie dann am Halse."
"Hat er das? Das bleibt abzuwarten. Damals hat auch jeder gemeint, er habe Anna Boleyn am Halse, Jenkins."
Rosalind blieb im Hintergrund, in der Nähe der Tür. Sie fühlte sich sicher genug in ihrer derben Männerkleidung, die Haare unter einer Kappe verborgen. Niemand würdigte sie eines Blickes. Obwohl ihr die Prinzessin Anna Leid tat, bereitete die ganze Angelegenheit Rosalind dennoch großes Vergnügen. Es schadete dem König gar nichts, wenn er sich eine Frau ins Bett holte, die er wahrscheinlich nicht ausstehen konnte!
Bedauerlich ist nur, dachte Rosalind bei sich, dass man nicht für einen Sprachkundigen gesorgt hatte. Diese allgemeine krampfhafte Verlegenheit hätte sich doch vermeiden lassen. Arme Prinzessin, sie wurde den Erfordernissen der Macht geopfert, musste mit dem Lüstling Heinrich VIII. die Ehe eingehen. Rosalind wünschte, sie könnte ihr helfen. Aber allein schon ihre Verkleidung als junger Bursche ließ das nicht zu, und die kümmerlichen paar Brocken Deutsch, die sie von Frieda aufgeschnappt hatte, langten ja auch nicht zu einer Unterhaltung.
Als man begann, die dicken Winterumhänge abzulegen, wurde Rosalind von dem Glanz der Versammlung fast geblendet. Viele Höflinge trugen goldgestickte Samtwämse, übersät mit flimmernden Juwelen. Die Damen boten einen wunderschönen Anblick mit ihren Hauben, die den zarten Teint unterstrichen, und den prachtvollen Gewändern. Selbst in ihrer feinsten Aufmachung würde sich Rosalind arm und dürftig neben ihnen vorkommen. Sie bemerkte auch, dass die Prinzessin gegenüber den englischen Damen, die ihre Gesichter der Mode entsprechend weiß gepudert und die Lippen rot gefärbt hatten, eine unelegant kräftige Gesichtsfarbe aufzuweisen hatte.
Einen Augenblick lang bezweifelte Rosalind den Erfolg von Nicks Plan, sie mit zum König zu nehmen, wenn Seine Majestät solch derbe Frauen liebte. Doch die Bemerkung von Jenkins und seinem Freund ebenso wie ihre eigenen Beobachtungen machten sie sicher, dass Anna von Cleve gewiss nicht das war, was der sinnliche König sich vorgestellt hatte.
Die Prinzessin war groß und korpulent. Nick hatte gesagt, Anna sei vierundzwanzig, doch sie sah ein gut Teil älter aus. Sie hatte ein breites, aber gutmütiges Gesicht mit großen hellen Augen, die wahrscheinlich das Schönste an ihr waren. Nase und Mund dagegen waren so ausladend, dass sie ihr ein kuhähnliches Aussehen gaben. Und ihre Kleidung! Selbst bei ihrem völligen Mangel an Kenntnissen der derzeitigen Mode konnte Rosalind durch Vergleiche mit den eleganten und anmutigen Erscheinungen der englischen Damen in ihrer Umgebung feststellen, dass sie einfach eine Katastrophe war!
Anna von Cleve trug ein einfaches dunkles Gewand mit einem steifen, hohen Kragen. Es hatte enge Ärmel anstatt geschlitzte, doppelte oder wenigstens eingefasste. Ihr Mieder, das die schweren Brüste kaum verbergen konnte, öffnete sich nur wenig, um ein Hemd sichtbar zu machen, das ihr hoch bis zum Hals reichte und mit einem schmalen Band zusammengehalten wurde wie ein Winternachthemd. Das Schlimmste aber war die entsetzlich altmodische Haube, unter der ihr flachsblondes Haar hervorsah. Wirklich, Rosalind war sehr verblüfft über den großen Unterschied zwischen der königlichen Braut und den reizenden englischen Hofdamen.
Als sich Rosalind durch die Menge drängte, um nun endlich ihre Sachen für die morgige Reise zu packen, fing sie das Geplapper von zwei Damen neben ihr auf. Für einen Augenblick hielt sie inne.
"Also ich für meinen Teil möchte Nick Spencer zum Teufel wünschen, dass er uns am Hof verlassen hat, um an diesen elenden, feuchtkalten Ort zu gehen", sagte der hübsche Rotschopf hinter vorgehaltener Hand. "Er hat das natürlich nur aus eigennützigen Zwecken getan."
"Er ist eben ein schlauer Bursche, beim König in die Schule gegangen", erwiderte die andere. "Aber dieser Schlingel von Spencer hat ja nicht nur uns allein gelassen, sondern auch seine Verlobte Penelope Wentworth. Ich wette, er wird
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