Historical Exklusiv Band 36
Vorhänge aufzuziehen. Die Zofe gab sich große Mühe, gleichmütig zu wirken.
„Guten Morgen, Mylady. Hardraw hat mir mitgeteilt, dass Sie ein Bad zu nehmen wünschen.“
Hardraw? Ach ja, Caldbecks Kammerdiener. Das war die Erklärung für das Bad – sicher auf Charles Anweisung. Catherine war verärgert. Was fiel ihm eigentlich ein, über sie zu bestimmen? Ihr Missmut verschwand ebenso schnell, wie er gekommen war. Eigentlich eine gute Idee. Sie konnte eine Erfrischung gebrauchen.
„Ich hoffe, Sie haben gut geschlafen, Mylady. Wir haben wieder herrliches Wetter.“
Sally lief geschäftig umher und goss heißes Wasser in die Kupferwanne. Schließlich war sie mit der Temperatur zufrieden und gab Catherine ein Zeichen, die daraufhin schnell hineinstieg. Ah! Sie ließ sich so tief ins Wasser gleiten, dass es gegen ihr Kinn schwappte.
„Mrs Hawes hat mir geraten, den Lavendel erst einzuweichen. Ist das nicht erfrischend?“ Sally reichte ihr ein Tuch für das Gesicht.
Catherine verzog das Gesicht wenig damenhaft. Noch jemand, der sich in ihre Angelegenheiten einmischte. Erbost murmelte sie etwas vor sich hin. Doch schon bald hatten das heiße Wasser und die beruhigende Wirkung der Kräuter ihr Unbehagen aufgelöst.
Eine Stunde später befand sie sich auf dem Weg zum Esszimmer, wo Charles sein Frühstück gerade beendete. Er erhob sich, als sie den Raum betrat.
„Guten Morgen. Ich hoffe, du hast gut geschlafen?“ Caldbecks kühlem Blick entging natürlich nicht die Röte, die in Catherines Gesicht gestiegen war.
„Ja … gewiss.“ Sie entschloss sich, freundlich zu antworten. „Vielen Dank, dass du ein Bad für mich hast herrichten lassen. Das war sehr aufmerksam.“
„Nun, das zeichnet einen Gentleman aus.“ Er zuckte nicht mit der Wimper, als er das sagte, aber diesmal hätte Catherine schwören können, dass seine Stimme einen amüsierten Unterton hatte. Machte er sich etwa über sie lustig? Es erschien ihr so unwahrscheinlich, dennoch …
„Wie ich sehe, trägst du dein Reitkostüm. Möchtest du heute Morgen wirklich ausreiten?“
Catherine errötete erneut. „Ich denke schon. Ich … ich reite ja im Damensattel.“
„Dann ist ja alles in Ordnung.“
Catherine warf ihm einen argwöhnischen Blick zu. Da war sie wieder – die kaum wahrnehmbare Veränderung im Klang seiner Stimme. Er machte sich tatsächlich über sie lustig.
Oder etwa nicht?
„Das ist es in der Tat“, erwiderte sie scharf.
Wie nicht anders zu erwarten gewesen war, nahm Charles davon nicht die geringste Notiz.
„Gut, wenn du gegessen hast, sollten wir uns auf den Weg machen.“
In der frischen kühlen Herbstluft ritten Charles und Catherine im leichten Galopp durch das Hügelland, Catherine auf ihrem neuen Jagdpferd neben Caldbeck auf seinem Apfelschimmel. Sie passierten Baumgruppen mit herbstlich gefärbtem Laub, Weiden mit weißen Schafen. Über ihnen wölbte sich strahlend blau der Himmel. Flüsse schlängelten sich talwärts. Sie hatten sich ein tiefes Bett gegraben und die Felsen glatt gespült, über die sie nun hier und da wie kleine Wasserfälle hinabstürzten. Ein Hauch von Holzkohlenrauch lag in der Luft.
Verstohlen betrachtete Catherine ihren Ehemann von der Seite. Er saß kerzengerade im Sattel. Der ausgesucht feine Stoff des Rockes schmiegte sich faltenlos an seinen schlanken Körper, und der elegante, etwas schräg aufgesetzte Hut unterstrich gekonnt den vollendeten Eindruck, den Charles machte. Wie hatte sie nur früher diese unverkennbaren körperlichen Vorzüge übersehen können. Jetzt hatte sie kaum noch Augen für etwas anderes.
Sie war so gut gelaunt, sie hätte die ganze Welt umarmen können. Ihr schien, als leuchtete die Landschaft, durch die sie ritten, in ungewöhnlich strahlenden Farben. Es wehte ein leichter Wind, der sanft ihr Gesicht umspielte.
„Oh! Wie herrlich es hier ist.“ Catherine machte eine weit ausholende Armbewegung. „Ist ganz Yorkshire so entzückend?“
„Die Dales sind bekannt für ihre Schönheit“, antwortete Charles mit der ihm eigenen Nüchternheit.
Heute jedoch konnte auch das ihre fröhliche Stimmung nicht dämpfen.
„Ich bin immer gern auf dem Land zu Besuch gewesen, obwohl ich leider wenig Gelegenheit dazu hatte, da mein Onkel in London lebte.“
„Ich ziehe das Landleben bei Weitem vor.“ Caldbeck zog die Zügel an. „Ich möchte dir ein altes Herrenhaus zeigen, das auf einem Stück Land liegt, welches ich zu kaufen beabsichtige – es wird Old
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