Historical Exklusiv Band 36
war alles andere als düster. „Ich habe aus dem Stall von Lord Northempston einen Zelter gewählt, der zu Euch passt, wie ich hoffe“, sagte er ohne weitere Vorrede. „Er ist jung, aber von sanftem Gemüt und fügsam.“
„Meinen Dank, Mylord.“
Genevra hatte bisher ihre Aufmerksamkeit auf ihren Verlobten gewandt und nur einen kurzen Blick auf das Pferd geworfen, das für sie bereitstand. Nun trat sie zu ihm und streichelte es zwischen den geblähten Nüstern.
Es war eine junge Stute, gut gewachsen, kastanienbraun mit weißer Blesse und weißen Fesseln an drei Beinen. Sie trug ein prächtiges Zaumzeug in den Farben von Northempston, Azurblau und Silber. Das Tier reagierte auf Genevras Berührung mit einem Nicken seines fein geformten Kopfes, knabberte zart an Genevras Fingern und stieß ein leises freudiges Wiehern aus. Dabei läuteten die Glöckchen an seinem Halfter.
„Findet Ihr Gefallen an dem Tier?“
„O ja, Mylord, und es scheint mir, auch sie mag mich.“ Genevra gab dem Zelter einen abschließenden Klaps und ergriff die schmalen silberbesetzten Zügel, um in den Sattel zu steigen. „Ich freue mich schon auf den Ausritt.“
Stallknechte eilten herbei, St. Aubin indes wies sie mit einer Handbewegung zurück und bot ihr selbst seine Hilfe an.
„Es hört auf den Namen Chloe“, sagte er, als er sie in den Damensattel hob. Sie zupfte ihre Röcke zurecht, und er breitete ihre Chamarre auf dem Rücken des Pferdes aus. Hoffentlich hat er nicht die Kniehosen gesehen, dachte sie.
„So komm, Chloe“, murmelte Genevra, als sich St. Aubin ohne fremde Hilfe in den gepolsterten, reich geschmückten Sattel seines prächtig aufgezäumten schwarzen Hengstes schwang, der den Namen Prince trug. In Gedanken hatte sie bereits festgestellt, dass er weder sein Streitross ritt, noch seinen Kampfsattel benutzte. „Genießen wir unseren Ausritt.“
Sie ritten durch den äußeren Burghof. Fröhlich sprangen die Hunde neben ihnen her. Sie passierten das Torhaus, und unter dem Fallgatter ritten sie weiter auf die Zugbrücke, die den übel riechenden Burggraben überspannte, und erreichten dann die Wachttürme, von denen man die herannahenden Feinde abwehren konnte.
Ein Herold und ein Teil der Eskorte ritten vorneweg, während Alan und ein Falkenmeister mit einem Jagdfalken das übrige Gefolge hinter ihnen anführten. Seite an Seite ritten sie langsam durch das Dorf. Schnatternd flogen die Gänse hoch, und die Hunde bellten zwischen den teils verlassenen Hütten der Zinsbauern und Häusler. Menschen und Tiere waren schon auf den Feldern bei der Arbeit.
Tagelöhner bestellten nun die Ländereien des Earls, erklärte St. Aubin Genevra, denn nur wenige Bauern hatten die Pest, die dreimal schon das Land heimsuchte, überlebt. Damit das Land auch weiterhin bestellt wurde und ausreichende Ernte brachte, hatten viele Lords ihren Leibeigenen die Freiheit geschenkt, damit sie nicht in den Schutz der Städte flohen.
Freie Männer konnten Lehensbauern werden, falls sie bleiben wollten. Northempstons Land wurde nun ausschließlich von freien Bauern oder Tagelöhnern bestellt, die aber teures Geld kosteten.
„Das hätte Lord Heskith auch tun sollen“, bemerkte Genevra. „Es gibt kaum noch hörige Bauern auf Bloxley. Viele starben, und wer überlebte, lief davon. Mein Onkel hat es schwer, sein Land zu bebauen.“
„Die Pest hat vieles verändert. Sie machte vor keiner Person Halt, gleich, welchen Standes sie war. Viele große Herren und Damen mussten ihr Leben lassen. Ganze Familien wurden ausgerottet. Northempston verlor seine Erben. Ich fürchte, England wird nie mehr werden, wie es war. Zahlreiche Hörige, wie die Eures Onkels, denen ihre Herren nicht die Freiheit gaben, sind davongelaufen und haben sich gut bezahlte Arbeit in den Städten gesucht. Das Feudalsystem stirbt.“
„Sie schuldeten ihren Herren Arbeit, und ihre Herren sollten ihnen dafür Schutz geben“, bemerkte Genevra nachdenklich und klopfte beruhigend Chloes Hals, als die Stute scheute und ihren Kopf aufgeregt zurückwarf. Ein Kaninchen war aus seinem Bau gesprungen und wurde von den Hunden gejagt. „Aber nun, da das Land wieder ruhiger ist, schätzen sie die Freiheit höher ein als den Schutz, den ihre Herren ihnen geben.“
St. Aubin warf einen langen nachdenklichen Blick zu Genevra, und sein Gesicht verdüsterte sich. „Denkt Ihr?“, fragte er, und in seiner Stimme schwang etwas mit, das Genevra glauben ließ, dass er nicht einer Meinung mit
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