Historical Exklusiv Band 36
ihrem Pachtgut, bebauen jedoch nur wenige Felder. Schafherden weiden auf ihrem Land, denn der Verkauf von Wolle ist ihr Hauptverdienst. Wie ist es in Thirkall?“
„Nur wenige Bauern sind in Thirkall verblieben“, antwortete St. Aubin knapp. „Diejenigen, die noch leben, betreiben Ackerbau.“
In seinem Ton lag eine Warnung, nicht mehr weiterzuforschen. Es war nicht klug von ihr gewesen, zu streiten – nein, nicht zu streiten, zu sprechen! –, ja, bloß dieses Thema zu erwähnen.
St. Aubin nahm nun den Falken und ließ ihn einige Male mit Erfolg nach Kleinwild jagen. Nach dieser Unterbrechung setzten sie ihren Ritt in einem ruhigen Trab fort und folgten einem schmalen Pfad über das von Büschen bewachsene Land. Schon bald tauchte die Burg von Ardingstone vor ihnen auf. Der Burgfried, der alle anderen Türme und Wehrmauern überragte, leuchtete in der Morgensonne.
Als sie langsam näher kamen, konnte Genevra auf den Zinnen blitzende Helme erkennen und wusste, dass die Wachen nun auf den Wehrgängen patrouillierten. Von den Männern hoch oben auf dem Burgfried kämen bei Gefahr die ersten warnenden Trompetensignale.
Die Soldaten hatten auch ihre Rückkehr beobachtet. Als sie sich der Burg näherten, blies St. Aubins Herold in sein Horn, was sogleich von der Wache am Torhaus beantwortet wurde. Mit lautem Hufgeklapper ritten sie über die Zugbrücke. St. Aubins Männer wandten sich zu den Ställen, und ihr Herr und sein Knappe begleiteten Genevra bis vor das Tor, von dem aus sie ihr Gemach erreichen konnte.
Mit penibler Höflichkeit half St. Aubin ihr beim Absteigen. Genevra benötigte zwar keine Hilfe, doch er nahm sie um die Taille und hob sie aus dem Sattel. Die kurze Berührung ließ Genevra erschauern. Um diese Verwirrung ihrer Gefühle zu verbergen, bemühte sie sich, ihren Rock vor dem Schmutz zu schützen, und stieg vorsichtig über einen übel riechenden Kothaufen.
„Ich danke Euch, Mylord“, murmelte sie mit gesenktem Blick. Hätte sie ihn angeblickt, hätte er in ihren Augen zu deutlich die Unruhe lesen können, die seine Berührung hervorgerufen hatte.
„Ich werde die Stute kaufen und was Ihr an Sattelzeug benötigt, Mistress. Ihr habt dann ein Reitpferd für die Reise nach Merlinscrag. Wir sehen einander beim Mahl.“
Genevra nahm das Morgenmahl in Gesellschaft ihrer beiden Zimmergenossinnen ein, die aufgewacht waren, als sie Toilette machte, und die sich nun auf die Abreise vorbereiteten. Bevor sie ihren Abschied nahmen, gaben sie Genevra noch viele weise Worte mit auf den Weg. Beide waren zwar nicht älter als sie selbst, aber schon mehrere Jahre verheiratet.
Genevra hielt nicht viel von ihren Ratschlägen. Keine von ihnen hatte aus Liebe geheiratet, und ihr Rat war ähnlich der ihrer Tante, ihrem Herrn in allen Dingen Gehorsam zu leisten.
Dieser Ansicht nach habe ich wohl einen schlechten Anfang gemacht, aber gottlob wissen sie nichts davon, dachte Genevra. Es entsprach ganz und gar nicht ihrer Natur, Ratschläge so ohne weitere Fragen anzunehmen. Man hatte sie zwar im Kloster Gehorsam gelehrt, aber diese strikte Unterwerfung, die von jenen verlangt wurde, die den Schleier nahmen, war ihr fremd.
St. Aubin schien zwar streng, aber nicht grausam. Er würde sie sicher nicht dafür bestrafen, dass sie eine eigene Meinung vertrat. Außer vielleicht, indem er ihr seine Gunst entzog.
Sie konnte das Lächeln nicht vergessen, das er ihr vergangenen Abend geschenkt hatte. Wenn es ihr gelänge, ihn öfter zum Lächeln zu bringen, wäre sie schon glücklich.
Viele Gäste, die nur zu dem Turnier gekommen waren, reisten wieder ab. Es waren wenige Menschen in der großen Halle, als die Ehrengäste des Earls ihren Platz auf der Estrade einnahmen.
Die Spuren des gestrigen Gelages waren so gut wie fortgeräumt, nur die Gräser und Kräuter lagen noch auf dem Fußboden, doch jetzt waren sie zertrampelt und vermodert.
Die Hunde wühlten in den Überresten von Fleisch, Knochen und Knorpeln, und ihr Kot vermischte sich mit dem übel riechenden Schmutz. Roberts Hunde legten sich zu ihren Füßen nieder, als sie ihre Plätze an der Tafel einnahmen. Beim gestrigen Mahl waren sie in die Ställe verbannt gewesen. Es waren wundervolle, zutrauliche Tiere. Genevra kraulte sie hinter den Ohren.
„Welcher ist Abel und welcher Cain?“, fragte sie, als er sich nach einem Gespräch mit Northempston zu ihr wandte.
Mit einigem Unbehagen wurde sich Robert plötzlich bewusst, dass er den Wunsch verspürte, die
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