Historical Exklusiv Band 36
bequemer. Sie hatte nicht vor, in Zukunft darauf zu verzichten, und riskierte selbst den Skandal, den sie zweifellos damit hervorrufen würde, sollte jemand dieses ungewöhnliche Kleidungsstück an ihr bemerken.
Andere Reitkleidung als diese alten Stücke besaß sie nicht, und sie hatte am vergangenen Abend auch nicht weiter daran gedacht, als sie die Einladung ihres Verlobten annahm. Sie hegte aber die Hoffnung, dass er dem schäbigen Aussehen ihrer Kleidung keine weitere Bedeutung beimaß. Sie sah keinen Grund, ihn mit schönen Kleidern beeindrucken zu wollen, wenn er sie schon bald in nichts anderem als ihrem spitzenverzierten Nachtgewand sehen würde.
Der Gedanke daran trieb ihr die Röte ins Gesicht und gab ihren Wangen Farbe. Das braune Haar war zu einem Zopf geflochten, der von einer grünen Schleife gehalten wurde und schwer über die Kapuze ihrer Chamarre fiel.
Sie ergriff ihre Handschuhe und die Gerte. „Geht voran“, bat sie Alan.
Auf ihrem Weg durch lange Gänge und über Treppen begann Genevra ein Gespräch mit Alan, auch um ihre Nervosität zu verbergen, die sie seit ihrem Albtraum nicht abschütteln konnte. Alan war jünger als sie, besaß aber die gesunde Selbstsicherheit der Jugend. Da Genevra in seinen Augen nur Bewunderung lesen konnte, schloss sie, dass ihr Aussehen nicht durch die Bekleidung getrübt wurde. Er war ein offener, ehrlicher Bursche, und sie mochte ihn.
„Wie lange seid Ihr schon im Dienste St. Aubins?“, fragte sie.
„Ich kam als Page an den Hof des verstorbenen Barons, Mylady, und er stellte mich in den Dienst Lord Roberts. Lord Robert machte mich zu seinem Knappen, als ich mein vierzehntes Jahr erreichte, kurz bevor er Baron wurde. Zwölf Jahre schon stehe ich in seinem Dienst und habe ihn bei all seinen Taten begleitet.“
„Dann habt Ihr schon viel von der Welt gesehen“, bemerkte Genevra mit einer leisen Eifersucht. Sie selber kannte außer Bloxley nichts als das Kloster in Derbyshire. Ardingstone lag etwa auf halbem Wege dazwischen. „Habt Ihr auch an seiner Seite gekämpft?“
„Nein, Lady, nicht in der Schlacht. Ich war nur ein Page in Najera. Doch vor Kurzem erst stand ich an seiner Seite, als er gegen Rebellen in Aquitanien kämpfte, die Seiner Majestät, unserem König, das Herzogtum streitig machen wollten.“
„So werdet Ihr wohl bald zum Ritter geschlagen?“
„Ich hoffe es, Mylady. Ich bin der älteste Knappe im Dienst St. Aubins, und ich werde bei meinem Herrn bleiben, wenn er mir ein Lehen in seiner Baronie schenkt. Solange mein Vater am Leben ist, besitze ich kein eigenes Land.“
Genevra blickt ihn erstaunt an. „Und das, obwohl er nicht mehr am Schlachtfeld, sondern nur noch bei Turnieren zu den Waffen greifen will?“
Alan strahlte. „Ich möchte keinem anderen dienen als ihm. Ich werde ihn auffordern, die Lanze mit mir zu kreuzen, und ich hoffe, dass ich ihn schlagen kann. Aber ich werde in seinem Dienste immer zufrieden sein. Er braucht Ritter in seinem Gefolge zum Schutz der Festungen.“
Mit diesen Worten betraten sie den inneren Burghof, wo St. Aubin mit zwei Pferden wartete. Ein Paar riesiger Wolfshunde lag zu seinen Füßen. Eine Eskorte bewaffneter Männer, die sein Adlerwappen trugen, standen bereit, und auch ihre Pferde trugen Schabracken in den Farben St. Aubins, smaragdgrün und maulbeerrot.
Alan entfernte sich, um sein eigenes, stattlich geschmücktes Pferd zu besteigen, und Genevra begrüßte St. Aubin.
Er zog seinen Hut, der mit einer großen Feder verziert war.
Er trug keinen Harnisch. Sein braunrotes Wams aus feiner Wolle wurde vorne mit silbernen Knöpfen geschlossen, und Silberknöpfe zierten auch die Ärmel bis zum Ellbogen. Die Spange, die er schon gestern trug, stak nun an seinem Hut, und an seinem juwelengeschmückten Gürtel hing ein Dolch.
Von seinen breiten Schultern flatterte ein kurzer geschlitzter Taphart in der Farbe reifen Löwenzahns, der mit dunkelgrüner Seide gefüttert war. Eine Hose in derselben Farbe umspannte seine kräftigen Schenkel, und seine Füße steckten in wadenhohen Stiefeln aus feinstem Korduanleder. Sein weizenblondes Haar glänzte in der Sonne. Groß und stattlich stand er da.
Ein flüchtiges Lächeln umspielte seine Lippen, als er sie begrüßte. „Gott sei mit Euch, Mistress.“
Vergangenen Abend hatte er Strenge und Härte nicht nur in seinem Benehmen, sondern auch in seiner Kleidung zur Schau getragen. Heute Morgen beschränkte sie sich auf sein Auftreten, denn seine Kleidung
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