Historical Exklusiv Band 36
dankte der Heiligen Jungfrau Maria für die Erfüllung ihrer Wünsche und begab sich zur Ruhe. Die Aufregung indes war zu groß, um einen ruhigen Schlaf zu finden. Auch wurde sie durch die beiden Damen gestört, mit denen sie das Gemach teilte und die lärmend und lachend vom Fest kamen.
Als diese die Vorhänge zurückzogen, um sich zu Bett zu begeben, strich ein kalter Luftzug herein. Dann unterhielten sie sich noch eine Ewigkeit miteinander. Genevra gab vor, fest zu schlafen, um nicht durch Fragen gestört zu werden. Als die beiden dann schließlich doch einschliefen, begann die eine laut zu schnarchen.
Genevra versuchte, so ruhig als möglich zu liegen, um die anderen nicht zu stören. Sie dachte an Merlinscrag und ihre eigene Zukunft. In ihren Gedanken stand sie auf dem Kliff an der Seite ihres Gemahls und blickte über die brausende See hinüber zu den fernen Landen, die jenseits des Horizontes lagen.
Doch auf einmal schienen die dunklen granitenen Mauern des Schlosses immer näher zu rücken und dunkle Schatten auf sie zu werfen. Die Sonne konnte sie nicht mehr wärmen, und sie erschauderte. Im hellen Sonnenlicht, weit von ihr entfernt, stand der Goldene Adler, sein Gesicht hinter dem Visier versteckt. Als sie zu ihm laufen wollte, wurden ihre Beine schwer, ihr Füße bewegten sich wie im tiefen Schlamm, und er wandte sich von ihr ab. Genevra stieß einen verzweifelten Schrei aus und erwachte schweißgebadet aus ihren Träumen.
Die beiden Gefährtinnen an ihrer Seite ließen sich nicht in ihrem tiefen Schlaf stören. Genevra zitterte vor Kälte. Sie blickte durch den Spalt des dichten Vorhanges und sah, dass bereits der Morgen graute. Sie wusste, dass sie nach diesem wirren Traum nicht mehr schlafen konnte, und schlüpfte aus dem Bett. Nur mit ihrem leinenen Hemd bekleidet ging sie hinaus, um Meg aufzuwecken.
„Was ist los, mein Täubchen?“, fragte Meg, die in tiefem Schlaf auf ihrem Strohsack gelegen hatte und nun schnell auf die Füße sprang.
Genevra wies auf die anderen Dienerinnen und legte den Finger an die Lippen. „Pst, Meg. Wir wollen niemanden aufwecken. Aber ich brauche heißes Wasser zum Waschen, bevor ich mich zum Ausritt ankleide.“
Bleicher Lichtschein durchdrang die Läden, die das Fenster des Vorraumes verschlossen. Meg sah, wie Genevra zitterte, und legte die Hand auf ihre glühende Stirn. „Seid Ihr krank, Kindchen?“
„Ich hatte nur einen bösen Traum. Mach schnell, Meg, bevor die anderen aufwachen.“
Meg, die ebenso wie alle Dienerinnen in ihren Kleidern geschlafen hatte, bestand darauf, dass ihre Herrin in das Schlafgemach zurückkehrte, und hüllte sie vorsorglich in einen Mantel. Dann begab sie sich zu den Küchen, wo das Wasser in riesigen Kupferkesseln auf dem Feuer erwärmt wurde.
Genevra zog den Umhang fester um sich und setzte sich auf das niedrige Fenstersims. Sie stieß den Laden auf und blickte durch die schmale Öffnung auf das umliegende Land. Stallknechte und Diener liefen schon geschäftig über die Höfe, außerhalb der großen Steinmauer jedoch, die die Burg wehrhaft umgab, bot sich ein friedlicher Anblick. Der Fluss glitzerte in der hellen Morgensonne, und an seinen Ufern erstreckten sich Felder, Bäume und Büsche. In der Ferne zeichneten sich die scharfen Zacken der Hügel ab. Im Morgenlicht verblassten auch langsam die Schatten ihres bösen Traumes.
Dabei gab es keinen Grund für Albträume. Im hellen Licht des Tages schien er kindisch und bedeutungslos. Sie träumte nur selten und wusste nicht, was sie davon halten sollte. Um keinen Preis wollte sie sich davon ihr augenblickliches Glück zerstören lassen. Sobald sie St. Aubin wiedersah und er sie anlächelte, könnte sie diesen Traum vergessen.
St. Aubin sandte seinen Knappen, Alan of Harden, nach ihr. Er verbeugte sich tief und sagte: „Mein Herr erwartet Euch im Burghof.“
„Habt Dank, Alan. Wie Ihr seht, bin ich bereit.“
Sie trug ihre alte Reitkleidung, die aus der Zeit im Kloster stammte, und unter ihrer Cotte eine lederne Kniehose, um ihre Schenkel vor Abschürfungen zu bewahren. Sie hatte sich dieses etwas ungewöhnliche Kleidungsstück von einem der Begleiter erbettelt, die sie nach Ardingstone eskortiert hatten, und ihm dafür das letzte Silberstück ihres spärlich bemessenen Taschengeldes gegeben. So konnte sie die langen Strecken zu Pferde unbeschadet zurücklegen.
In der Vergangenheit hatte Meg zwar vorsorglich ihre Unterröcke wattiert, die Kniehosen jedoch waren weitaus
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