Historical Exklusiv Band 36
vernahm sie grässliche Schreie und höhnisches Gelächter. Schritte ertönten hinter ihr im Dunkeln. Sie lief, schneller, immer schneller, wollte schreien, konnte es aber nicht, fuhr in die Höhe und war plötzlich wach und saß schweißgebadet im Bett.
Sie hörte Charles’ gleichmäßigen Atem vom Sofa her. Geht diese Nacht denn nie zu Ende? Catherine drehte sich auf die andere Seite.
Auf einmal wurde es im Salon laut.
„Mylord! Mylord. Er ist hier. Ich habe ihn gesehen.“
„Verdammt, Junge! Wo hast du die Kerze gelassen?“
„Ich weiß nicht, Sir. Sie ist ausgegangen.“
„Macht nichts. Ich habe ja die Laterne.“
Schnelle Schritte hin und her laufender Leute waren zu hören. Catherine riss die Bettvorhänge zur Seite und war im Nu auf den Beinen. Charles sprang mit einem Satz über die Rückenlehne des Sofas, die Pistole gezückt. Er hielt kurz vor der Tür inne. „Verlass nicht diesen Raum. Schließ die Tür hinter mir ab, und leg die Pistole nicht aus der Hand. Halt den Hahn gespannt.“
Catherine hetzte zur Tür, während er hinauseilte. Sie warf nur einen flüchtigen Blick in den düsteren Salon nebenan, dann hatte sie die Tür geschlossen und den Schüssel herumgedreht. Alles lag im Dunkeln. Wieso brannten die Kerzen nicht mehr?
Nachdenklich ging Catherine zum Bett zurück und griff nach der Pistole. Sie entsicherte die Waffe und lehnte sich gegen den Bettpfosten, jeder Nerv zum Zerreißen gespannt. Catherine hörte das Rennen und Rufen, zuerst laut, dann immer leiser, als die Verfolgungsjagd in entfernt gelegenere Teile des Hauses führte.
Sie horchte auf die Geräusche, die hin und wieder aus der Eingangshalle und der Treppe zum Dienstbotentrakt an ihr Ohr drangen, dann war alles ruhig. Noch nie hatte sie sich so einsam gefühlt. Die Stille wurde für sie immer bedrohlicher. Außerhalb des Lichtscheins der Kerzen und dem schwächer werdenden Glimmen des mit Asche bedeckten Feuers lag das riesige düstere Zimmer, dessen Konturen im Dunkeln verschwammen. Ihr Atem ging schneller, und Angst erfasste sie.
Aber das ist Unsinn! Ich brauche doch nur noch zusätzliche Kerzen anzuzünden. Mit der Waffe in der Hand trat sie zur Kommode, nahm einen Kerzenhalter in die andere und ging zu einem Beistelltisch, wo drei Kerzen brannten. Plötzlich hielt sie inne. Ein Luftzug hatte ihr Gesicht gestreift.
Zwei Kerzen erloschen.
O Gott! Wie versteinert stand Catherine da, der Schrei blieb ihr in der Kehle stecken. Woher war der Luftzug gekommen? Die schweren Vorhänge vor den Fenstern waren wegen der Kälte zugezogen. Sie ließen weder Licht noch Luft durch.
Catherines Sinne waren aufs Äußerste geschärft. War da jemand? Sie lauschte, konnte aber nichts hören. Ihre Hände zitterten, als sie die Kerze im Halter zu entzünden versuchte. Sie flackerte kurz, dann verlosch sie.
Es ist noch jemand im Zimmer.
Die letzte Kerze ging aus.
Auf einmal hatte Catherine nicht mehr den geringsten Zweifel daran, dass sie nicht mehr allein im Zimmer war. Sie nahm die Waffe wieder an sich, die sie kurz abgelegt hatte.
Vergeblich versuchte sie, im fast dunklen Raum etwas zu erkennen. Womöglich würde er plötzlich vor ihr auftauchen. Zum Schießen fehlte das Licht. Er würde sie überwältigt haben, ehe es ihr überhaupt gelänge, abzudrücken.
Ich muss hier weg.
Aber in welche Richtung? Sollte sie sich zur Tür schleichen? Aber würde sie in dieser Finsternis überhaupt dorthin finden? Vielleicht liefe sie ihm dann geradewegs in die Arme? O Gott! Catherine stand still da und lauschte.
Dann nahm sie seinen Geruch wahr. Einen animalischen Geruch. Dicht neben der Tür zu ihrem Ankleidezimmer. Catherine war sich jetzt ganz sicher. Vorsichtig, jedes Geräusch vermeidend, bewegte sie sich mit bloßen Füßen auf dem Teppich in die Richtung, wo sie den Salon vermutete.
Jetzt tastete sie nach dem Schlüssel, drehte ihn rasch herum, zog ihn heraus und drückte die Klinke hinunter. Mit pochendem Herzen schlüpfte sie in den angrenzenden Raum. Schon hörte sie schwere Schritte hinter sich. Etwas fiel zu Boden, und sie hörte ein ärgerliches Knurren.
Verzweifelt warf Catherine sich gegen die Tür und schaffte es, sie zu verschließen. Im nächsten Moment bewegte sich schon die Klinke, und es wurde an der Tür gerüttelt.
Er war da! In ihrem Schlafzimmer. Der Eindringling brauchte nichts weiter zu tun, als in Charles’ Schlafzimmer zu gehen und von dort in den Salon zu kommen. Der Schlüssel steckte auf der
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