Historical Exklusiv Band 36
enttäuscht du warst, dass er nicht mehr an deiner Seite schlief, meine Kleine. Was hattest du erwartet? Ein Schoßhündchen, das sich an deinen Rockzipfel hängt? Er ist ein harter, kampferprobter Mann, der eine ebenbürtige Gefährtin braucht. Erwarte nicht eine zarte Huldigung, denn ein Ritter von Lord St. Aubins Ansehen, wird sie dir nicht erweisen.“
Genevra war froh, dass diese entmutigenden Worte erst nach und nicht schon vor der Hochzeitsnacht gesprochen wurden. Sie hob entschlossen das Kinn und zog die Augenbrauen hoch. „Meint Ihr, Mylady? Wie wollt Ihr wissen, wie freudevoll meine Einführung in die Geheimnisse der Ehe war, wenn Euch selber vielleicht niemals solch ein Glück zuteilwurde?“
Hannah erbleichte. „Du unverschämte Dirne! Wie kannst du es wagen, so mit mir zu sprechen?“
„Mein Rang ist nun höher als der Eure, Mylady“, machte Genevra sie aufmerksam. „Die Baronie der St. Aubins ist älter und größer als die der Heskiths. Northempston mag sein Schirmherr sein, aber er ist auch Baron Heskiths Lehensherr. St. Aubin schuldet allein dem König Gehorsam, wie ich jetzt nur Lord St. Aubin gehorsam sein muss.“
„Denkt an meine Worte, Mylady“, zischte Hannah, bevor sie das Gemach verließ. „Hochmut kommt vor dem Fall!“
5. KAPITEL
G enevra blickte ihrer Tante nach, doch bedauerte sie keines ihrer Worte. Solange Genevra denken konnte, hatte Hannah auf ihrem Rang und ihrer Stellung beharrt. Erleichtert wandte sie sich zu Meg.
„Ich bin so glücklich, dass ich Lady Heskiths Gehässigkeiten nicht mehr ertragen muss!“
Meg wusste, es stand ihr nicht zu, ihrer Herrin in diesem Falle recht zu geben und ein Mitglied des Adels zu tadeln. „Seid Ihr glücklich, mein Täubchen?“, fragte sie stattdessen.
Genevras Gesicht begann zu strahlen. Es bedurfte kaum noch der Worte. „Ja“, gestand sie mit einem schelmischen Lächeln. „Ich denke, ich finde Gefallen am Eheleben. Ich verstehe nicht, warum so viele Frauen es abstoßend finden.“
Meg lächelte weise, bevor sie sprach. „Vielleicht sind diese Frauen nicht mit solch einem wunderbaren Ritter vermählt, mein Täubchen. Er hat ein unbeugsames Aussehen und besitzt einen gewissen Ruf für seine Strenge, doch Euch gegenüber war er voller Güte, oder nicht?“
„Güte? Ich weiß nicht, Meg.“ Genevra ergriff den Becher und trank einen Schluck Bier. „Rücksichtsvoll, vielleicht. Er ist sicher nicht mit Absicht grausam, er hat mir auch nur wehgetan, als er meine Jungfräulichkeit nahm. Und sonst … seine Liebkosungen waren zart und erweckten Gefühle in mir …“
Sie konnte diese Gefühle, die die bloße Berührung ihres Gatten in ihr hervorgerufen hatte, nicht beschreiben. Nicht einmal mit ihrer Vertrauten Meg konnte sie darüber sprechen. Auch nicht über das erregende Glücksgefühl, das sie durchfuhr, als sich ihre beiden Körper in Liebe vereinigten. Wie konnte Meg eine Ahnung von solchen Dingen haben? Verträumt aß Genevra einen Bissen Kuchen.
Meg lächelte und nickte. „Ihr seid verliebt in ihn, mein Täubchen. Einer Frau, die liebt, kann der Mann vollkommene Freuden schenken, wenn er sich nur ein wenig bemüht. Und falls er ihr auch noch Liebe entgegenbringt, dann wird das, was sonst nur schiere Fleischeslust ist, zu einem Mysterium, einem Symbol wahrer Zuneigung zwischen den beiden.“
Genevra schluckte ihren Bissen hinunter. „Du bist so klug, Meg! Woher weißt du das alles?“
Nun war es an Meg, schamvoll zu erröten. Um ihre Verlegenheit zu verbergen, beugte sie sich tief über Genevras Reisekiste. „Ich war nie verheiratet, aber ich hatte einen Liebhaber, Mylady.“
Genevra sah diese Frau, die all die Jahre wie eine zweite Mutter zu ihr gewesen war, nun mit anderen Augen. Sie hatte immer alles für selbstverständlich genommen, sie als eher einfache Frau betrachtet, die nun auf ihr vierzigstes Lebensjahr zuging und deren Haar bereits von grauen Fäden durchzogen war. Sie konnte sich gar nicht mehr erinnern, wie Meg einst ausgesehen hatte, als sie selbst noch zu jung gewesen war, um alles zu verstehen. Meg war einfach immer für sie da gewesen.
„Du hattest einen Liebhaber?“, fragte sie erstaunt. Und fragte vorsichtig weiter: „Ohne verheiratet zu sein?“
Megs Antwort klang gedämpft, da sie immer noch angestrengt in der Kiste nach einem passenden Kleid suchte. Doch es war ein Eingeständnis.
„Wer war er, Meg? Warum hast du nicht geheiratet?“
Meg richtete sich auf und sah ihrer Herrin in die
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