Historical Exklusiv Band 36
Augen. Sie hielt das Kleid wie zum Schutz in den Armen, ihre ganze Haltung drückte Trotz aus. „Er war ein Stallknecht, Mylady. Er war bereits verheiratet, doch seine Frau war ein Krüppel und ans Bett gefesselt.“
„Und du … hast ihn geliebt?“
„Wir liebten einander, Mylady. Aber es sollte nicht sein. Euer Großvater starb, und Ihr wurdet ins Kloster geschickt. Ich bin bei Euch geblieben, mein Täubchen. Ich wusste doch, wie sehr Ihr mich brauchtet!“
„O Meg! Warum hast du das getan? Du hättest an dein eigenes Glück denken sollen, statt dich mit mir hinter Klostermauern einzuschließen.“ Genevra sprang auf und lief zu Meg, und ohne auf das neue und kostbare Kleid zu achten, ergriff sie die abgearbeiteten Hände der Zofe. „Ich bin froh, dass du bei mir geblieben bist! Nun wirst du mit Gottes Hilfe einen anderen Mann finden, der dich liebt.“
„Ich habe Bernard wiedergetroffen, Mylady. Er kam mit Lord Heskiths Gefolge.“
„Und?“, fragte Genevra aufgeregt.
„Seine Frau ist gestorben. Er hat nicht wieder geheiratet, und wir hegen noch immer dieselben Gefühle füreinander. Doch mein Platz ist an Eurer Seite, mein Täubchen. Ich könnte Euch niemals verlassen.“
Es blitzte in Genevras Augen. „Das möchte ich auch nicht. Aber er könnte doch aus den Diensten meines Onkels treten! Frag ihn, Meg! Ich bin sicher, mein Gemahl nimmt ihn als meinen Pferdeknecht in seine Dienste!“
Verwirrung und Freude spiegelten sich in Megs Gesicht. Noch bevor sie antworten konnte, kamen Pagen und Mägde mit einem großen hölzernen Zuber und brachten Eimer und Krüge mit heißem Wasser.
Erst als sie in ihrem mit Zitronenbalsam parfümierten Bad saß, konnte Genevra das Gespräch wieder auf Megs Liebesleben bringen.
„Du fragst ihn doch, Meg? Ich besitze nun mein eigenes Pferd, und ich brauche eine Begleitung, wenn ich ausreite. Das ist ein Wink des Schicksals!“
„Vielleicht gefällt Euch Bernard gar nicht, Mylady“, entgegnete Meg halbherzig.
„Wenn du ihn liebst, dann wird er auch mir gefallen!“, versicherte Genevra. „Sobald du mich angekleidet hast, gehst du zu ihm und fragst ihn, aber eile dich! Ich glaube, mein Onkel wollte noch heute nach Hause zurückkehren.“
In diesem Augenblick kündigte ein Geräusch an der Tür der nebenan liegenden Kammer die Rückkehr von Lord St. Aubin an. Er erfüllte sogleich den Raum mit seiner Gegenwart, ein Mann der Tat und kraftvoll. Er roch nach Pferden und frischer Luft. Wohl kam er gerade von einem Ausritt. Unwillkürlich bedeckte Genevra ihre nackten Brüste, an denen schon wieder ihre Erregung sichtbar wurde. Sie kreuzte die Arme vor der Brust und hoffte, St. Aubin würde nicht bemerken, dass ihr ganzer Körper, durch das heiße Bad bereits gerötet, nun eine noch dunklere Farbe angenommen hatte.
Er warf ihr jedoch kaum einen Blick zu, trat zum Fenster und blickte auf den Burghof, während er das Wort an sie richtete. „Wir verlassen Ardingstone nach dem Mahl“, kündigte er ohne Umschweife an. „Ich möchte so bald als möglich unsere Reise nach Merlinscrag antreten. Lord und Lady Heskith reisen in der nächsten Stunde ab. Wir werden nicht weit hinter ihnen sein, ich werde indes keine Anstrengung unternehmen, sie einzuholen.“ Plötzlich wandte er sich zu ihr um. „Oder wünscht Ihr, dass wir einen Teil der Reise in ihrer Gesellschaft machen?“
„O nein, Mylord!“ Genevra vergaß ganz ihre Verlegenheit und richtete sich im Wasser auf. „Meg jedoch erzählte mir eben, dass sie ihre Bekanntschaft mit einem Stallknecht meines Onkels erneuert habe. Sie möchten sich verheiraten. Könntet Ihr nicht mit meinem Onkel sprechen, dass Bernard seinen Dienst verlassen und in Euren treten kann, als mein Pferdeknecht? Natürlich nur, wenn er Eure Zustimmung findet“, fügte sie hinzu, als sie den dunklen Schatten im Gesicht ihres Gatten sah.
Doch es schien nur ein Stirnrunzeln zu sein und nicht aus Missfallen oder Ärger zu kommen.
„Bernard sagtest du?“ Er hatte sich zu Meg gewandt. „Ich nehme an, dass er schon lange im Dienste Lord Heskiths steht?“
Meg knickste. „Ja, Mylord. Bernard von Lincoln. Er blieb bei Lord Heskith die ganzen zehn Jahre, die ich mit meiner Herrin im Kloster verbrachte.“ Ihre Wangen röteten sich. „Er hatte auf meine Rückkehr gewartet, so sagte er mir, Mylord.“
„Dann werden wir sehen, dass er für seine Treue belohnt wird. Wenn er sich als ehrlicher, arbeitsamer Bursche erweist, habe ich nichts dagegen,
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