Historical Exklusiv Band 36
ihn in meinen Dienst zu nehmen. Ich finde ihn ohne Zweifel in den Ställen?“
„Ja, Mylord. Ich danke Euch von ganzem Herzen.“
„Nun, Frau, ich werde mich um die Sache kümmern. Macht Euch inzwischen zur Abreise bereit. Ich sehe Euch beim Mittagsmahl.“
Mit diesen Worten verließ er das Gemach. Genevra stieg langsam aus dem Zuber und nahm das Leinentuch, das Meg ihr entgegenhielt, um sich abzutrocknen. Megs Hände zitterten.
„Was ist, wenn sie schon abgereist sind?“, fragte sie besorgt.
Genevra hüllte sich in das Tuch und trat ans Fenster. Die Öffnung war größer als in ihrem vorigen Gemach, und sie hatte einen ausgezeichneten Blick auf den inneren Burghof.
„Sind sie noch nicht“, sagte sie zu Meg. „Sieh, die Eskorte versammelt sich, und die Pferde werden jetzt erst aus den Ställen geführt. Kannst du deinen Bernard erkennen?“
Meg blickte aus dem Fenster und stieß aufgeregt einen Schrei aus. „Da ist er! Und Seine Lordschaft geht gerade über den Hof, um ihn zu suchen!“
Beide Frauen drängten sich nun an der Fensterlaibung, und Genevra bemerkte: „Er fragt gerade jemand anders. Ja, nun weist man ihn zu einem Mann. Das muss dein Bernard sein.“
„Das ist er, mein Täubchen! Der lange Dünne mit dem roten Haar oder dem, was davon übrig ist, falls Ihr unter seine Mütze sehen könntet!“
„Mein Gemahl hat ihn zur Seite gezogen. Jetzt kommt mein Onkel. Ich bete für dich, dass er Bernard aus seinem Dienst entlässt.“
„Bernard ist ein freier Mann, Mylady. Er kann ihn nicht zwingen zu bleiben.“
Meg schwieg nach dieser Bemerkung. Unten ging das Gespräch weiter, und Lord Heskith trat zu den beiden. Endlich löste sich die kleine Gruppe auf. St. Aubin führte Bernard von seinen früheren Gefährten unter lauten Abschiedsrufen hinweg, und sie verschwanden, Bernard mit einem Sack, der sein Hab und Gut enthielt, auf den Schultern, in Richtung der Ställe.
„Er hat es geschafft!“, rief Genevra aufgeregt. „O Meg! Ich freue mich so sehr für dich!“
„Und ich mich für Euch, mein Täubchen. Euer Gemahl muss Euch sehr schätzen, wenn er so bereitwillig Eure Wünsche erfüllt.“
Später am Tag jedoch, als sie im Schein der untergehenden Sonne das Landgut erreichten, das St. Aubin als Unterkunft für diese Nacht gewählt hatte, war sich Genevra seines Verlangens, all ihre Wünsche zu erfüllen, nicht mehr so sicher. Er teilte nicht die Kammer mit ihr, sondern verbrachte die Nacht mit seinen Männern auf einem Strohsack in der Halle.
Im Verlauf der Reise gab es immer wieder neuerliche Hindernisse, manche wahr, und manche, so vermutete sie, mit Absicht herbeigeführt, die ihn von seinen ehelichen Pflichten abhielten.
Die erste Nacht hatte Genevra ein Gemach ganz für sich alleine. Nicht einmal Meg war bei ihr, man hatte sie woanders untergebracht. Genevra entschuldigte seine Abwesenheit damit, dass er die Gesellschaft seines Gastgebers genießen wolle, mit dem er schon lange befreundet war. Zwar hätte er später zu ihr kommen können, aber vielleicht wollte er ihre Nachtruhe nicht stören.
Es ging ihr auch durch den Kopf, dass er vielleicht zu berauscht gewesen sein könnte, um die Treppen hochzusteigen, dass er betrunken über dem Tisch eingeschlafen oder auf dem Boden zusammengebrochen war. Diese Vorstellungen verbannte sie schnell wieder aus ihren Gedanken. Der Goldene Adler, ein kühner, tapferer Ritter, vertrug zwar ein gutes Quantum Wein, hielt sich indes an Mäßigkeit. Niemals hatte sie ihn betrunken gesehen.
Die Reise dauerte fast zwei Wochen. Sie kamen durch Oxford und Bath, und Genevra war begeistert von der Schönheit und Größe dieser Städte. Dann waren sie über Hügel und durch Täler geritten und erreichten Barnstaple, das im Süden der kargen Hochebene von Exmoor lag. Von hier führte sie ihr Weg zur Küste, dorthin, wo die Wasser aus der Bucht des Severnflusses sich mit der offenen See mischten. Genevra genoss diesen Anblick, weckte er doch alte Kindheitserinnerungen in ihr. Endlich erreichten sie Merlinscrag.
Während der Reise übernachteten sie in Gutshäusern, Burgen und Klöstern, wo es ihnen nicht vergönnt war, ihre Zweisamkeit ungestört zu genießen. Genevra musste mit den Töchtern des Hauses oder anderen Gästen das Schlafgemach teilen, verbrachte die Nacht im Schlafsaal der Nonnen im Kloster, einmal sogar auf einem Strohsack in der Großen Halle einer Burg, neben St. Aubin und seinen Knappen.
Manchmal war er in einem ganz anderen Teil des
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