Historical Exklusiv Band 36
Gebäudes untergebracht, doch wenn sie wusste, dass er in ihrer Nähe schlief, war ihre Enttäuschung groß. Mit der Begierde, wieder das Bett mit ihrem Mann zu teilen, wuchs auch ihr Schuldgefühl. Es schickte sich nicht für eine jungverheiratete Frau, sich so sehr nach den Liebkosungen ihres Gatten zu sehnen. Sie betete um Gnade und darum, dass er nicht diese ungehörige Sehnsucht wahrnahm und sie für schamlos hielt.
Trotz dieser Enttäuschungen genoss Genevra den Ritt durch die aufblühende Landschaft. Die ersten Schlüsselblumen, die Vorboten des Frühlings, säumten die Wege. Ihre anfängliche Angst vor den langen Stunden im Sattel war bald geschwunden. Ein Frühlingstag folgte dem anderen, und nur gelegentlich wurden sie von einem Regenschauer überrascht.
Wenn St. Aubin neben ihr ritt oder beim Mahl neben ihr saß, sprachen sie über alles Mögliche, über Kirche und Staat, über Tieraufzucht und Heilkunst. Sie war bemüht, sein Inneres zu entdecken, und bewahrte all diese Gespräche wie Schätze in ihrem Gedächtnis, auch wenn sie oft nicht die gleiche Meinung teilten. Die Worte indes waren immer freundlich geblieben und wurden nie derb. Er hatte sich nunmehr damit abgefunden, dass sie einen eigenen, freien Willen hatte und ihre Meinung vertrat. Sie hoffte, dass er die geistigen Anregungen eines guten Gespräches ebenso schätzte wie sie.
Doch nur selten ritt er an ihrer Seite. Oft war sie mit Meg allein, die keine gute Reiterin war und wie ein Sack auf ihrem Pferd saß, das ein Knecht am Zügel führte. Er hingegen verbrachte die Zeit mit Alan oder dem Hauptmann seiner Eskorte.
Hatte sie sich nur etwas vorgegaukelt? Möglicherweise fand er keinen Gefallen an der Liebe mit ihr. Vielleicht sollte sie ihre Gedanken nicht so frei äußern, vielleicht hatte er gar die Gespräche nicht so genossen wie sie. Manches Mal schien er ihr mit Ungeduld zuzuhören, dann wieder mit nachsichtigem Lächeln, als ob sie ein Kind wäre, das ihn amüsierte, und nicht eine erwachsene Frau, deren Meinung zählte.
Sie fand dafür nur eine Erklärung: Er hatte das Bett mit ihr geteilt, um die Ehe zu vollziehen, empfand jedoch nicht den Wunsch, dieses Beisammensein zu wiederholen. Da er nicht sehr oft ihre Gesellschaft suchte, nahm sie an, dass er es dann eben nur aus Höflichkeit tat.
Dies war eine normale Beziehung zwischen Mann und Frau. Genevra jedoch liebte ihn so sehr, dass sie mehr erwartet hatte. Genauso wie sie sich von der ersten Nacht mehr erhofft hatte. Irgendetwas hatte gefehlt. Es war eine Leere zurückgeblieben, eine Einsamkeit, obwohl er ihr nahe war. Ihre Glücksstimmung begann langsam zu schwinden.
„Macht Euch keine Sorgen, mein Täubchen“, sagte Meg, die ebenfalls die meiste Zeit von Bernard getrennt war. „Habt Geduld, bis unsere Reise zu Ende ist. All das ist für Euch neu und fremd, ich schwöre Euch, dass alles anders wird, wenn wir erst Merlinscrag erreicht haben.“
Die letzte Nacht, bevor sie ihr Ziel erreichten, verbrachte sie mit Meg in einer kleinen Kammer. Die Dienerin kämmte Genevras Haar, das ihr bis zu den Hüften reichte. Als verheiratete Frau trug Genevra auf der Reise das Haar von einem Netz zusammengehalten unter dem Schleier. Am Abend verbarg sie es unter einer modischen herzförmigen Haube.
Und wenn sie es auch selten zeigte, sie war stolz auf ihr kräftiges glattes Haar. Sie vermisste zwar goldene Strähnen, die das dunkle Braun aufhellten, hielt es aber doch für eines ihrer schönsten Merkmale. Besonders glänzte es, wenn es frisch gewaschen war, und sie machte sich daher auch die Mühe, dies so oft als möglich zu tun. Meg musste sich darum kümmern, sobald sie in Merlinscrag angekommen waren. Vor morgen Abend. Bevor St. Aubin zu ihr kam. Und doch vergeblich, wenn er nicht kommen sollte.
Genevra seufzte. „Ich hoffe, du hast recht, Meg. Auch du musst dich danach sehnen, dass diese Reise ein Ende hat, denn dann kannst du den Tag für deine Hochzeit festsetzen.“
„Ja, mein Täubchen. Wir haben darüber gesprochen und uns darauf geeinigt, so bald wie möglich Gottes Segen zu erhalten. Bernard wünscht sich einen Sohn, und vielleicht kann ich ihm noch einen schenken.“
„O Meg! Ist das denn nicht sehr gefährlich …?“
„In meinem Alter?“, vollendete Meg, als Genevra nicht weitersprach. „Vielleicht. Aber ich bin bereit, dieses Wagnis auf mich zu nehmen. Kinderkriegen ist in jedem Alter eine Gefahr. Und doch sehnen sich alle Frauen danach, ihrem Manne Kinder zu
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