Historical Exklusiv Band 36
kämpfte.
Er hatte sich vorgenommen, ihr gleichgültig und mit kalter, berechnender Leidenschaft im Bett zu begegnen. Sie hatte ihn überrascht und erstaunt; wenn er nicht schneller und heftiger in sie eingedrungen wäre, als er es eigentlich vorgehabt hatte, hätte sie ihren Höhepunkt schon unter seinen Händen erreicht. Und auch nachdem er ihr Schmerz bereitet hatte, erwiderte sie seine Gefühle, er jedoch konnte seine Leidenschaft nicht mehr zähmen.
Er hatte sich benommen wie ein Stümper, wie ein unreifer Knabe. Er konnte ihrer Unschuld, ihrem Liebreiz nicht widerstehen, und als er spürte, wie sie seine körperliche Liebe erwiderte, hatte er die Beherrschung über sich verloren und war zu stürmisch geworden. Er war sich bewusst, dass er aus Unmut über sich selbst liebloser zu ihr gewesen war, als er es beabsichtigt hatte.
Die Erfahrung hätte ihn lehren sollen, dass die bloße körperliche Befriedigung einer Vereinigung kein Ausgleich sein konnte für die tiefe Leidenschaft, die Liebe, die er seiner ersten Frau entgegengebracht hatte und die er seiner zweiten Frau versagen wollte. Er hatte das all die Jahre verspürt, in denen er seine Befriedigung bei Frauen gesucht hatte, die ihn nicht weiter kümmerten.
Ja, er hätte sanfter mit Genevra sein sollen. Als er schließlich doch in tiefen Schlaf fiel, geschah dies nicht ohne ein gewisses Schuldgefühl.
Als Meg am nächsten Morgen mit einigen älteren Ladys und Northempstons Schwester das Gemach betrat, war St. Aubin bereits fort. Im ersten Augenblick verspürte Genevra Unbehagen darüber. Dann verbannte sie diesen Gedanken schnell. Er war wohl gewohnt, früh aufzustehen, und wollte sie nach den Aufregungen und Anstrengungen der letzten Nacht nicht aus ihrem Schlaf wecken.
Letzte Nacht! Ihre Wangen röteten sich, als sie daran dachte. Bei allem Schamgefühl empfand sie jedoch auch eine gewisse Freude daran, eine Frau zu sein.
Meg versank in einem Knicks. „Ich habe Euch Ale gebracht und etwas Kuchen, Mylady.“
„Danke, Meg“, antwortete sie. „Gott grüße Euch, meine Damen.“
„Und Euch, Lady St. Aubin“, erwiderte Northempstons Schwester im Namen aller. „Die Ehe wurde vollzogen?“
Genevra nickte zustimmend. Eine Welle freudiger Erregung durchströmte sie und ließ sie alle Peinlichkeiten vergessen. Lady St. Aubin! Ihr gefiel der neue würdevolle Titel. Noch ein Grund mehr, glücklich zu sein. Als wenn es dessen bedurft hätte.
Ihre Tante war ebenfalls anwesend, und wenn sie sich auch nicht in den Vordergrund drängte, wie Genevra erwartet hätte, konnte sie es sich nicht verkneifen, hörbar für alle zu sagen: „Wie es scheint, war der Herr nicht geneigt, länger im Bett zu verweilen.“
Genevra verschloss ihre Ohren vor dieser hässlichen Bemerkung und wandte sich an Meg. „Könntest du wohl einen Zuber mit heißem Wasser herbeischaffen lassen? Ich wünsche zu baden.“
Ein Nicken war augenscheinlich nicht genug für die Besucher, die sich um ihr Bett drängten.
Northempstons Schwester, die durch ihre kostbare Kleidung und ihr Auftreten ihr Alter und ihren überragenden Stand betonte, ergriff wieder das Wort. „Wir müssen die Laken entfernen, Mylady. Wenn Ihr Euch also erheben wollt …“
Von Neuem überfiel Genevra Verlegenheit. Ihr Nachthemd lag auf dem Boden, dort, wo St. Aubin es hingeworfen hatte. Meg war verschwunden, um Genevras Anordnungen an einen Pagen weiterzugeben. Genevras Blick fiel auf ihre Tante.
„Da meine Zofe gerade abwesend ist, hättet Ihr wohl die Güte, mir mein Morgengewand zu reichen?“, fragte sie sanftmütig.
Missmutig kam Hannah dieser Bitte nach. Sie reichte ihrer Nichte das Gewand aus gebleichter Wolle, das mit Eichhörnchenfell eingefasst war und seine Besitzerin in der privaten Sphäre ihrer Gemächer wärmend und schützend umhüllen sollte.
Genevra erwiderte diesen Dienst mit einem gnädigen Lächeln, zog den Mantel fest um ihre Schultern und erhob sich. Sie nahm auf einer mit weichen Polstern bedeckten Truhe Platz, während die Damen geschäftig die Spuren ihrer verlorenen Jungfräulichkeit beäugten und das Laken entfernten. Nachdem dieses alte Ritual vollzogen war, ließen sie Genevra mit der inzwischen zurückgekehrten Meg allein.
Nur ihre Tante konnte sich eine Bemerkung nicht verkneifen. „Dein Gatte ist kein sanfter Liebhaber. Erwarte nicht, dass er dich verwöhnt und verzärtelt, Genevra.“ Sie lächelte säuerlich und konnte die Boshaftigkeit nicht verbergen. „Ich sah, wie
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