Historical Exklusiv Band 36
Täubchen!“, rief Meg aus, als sie von dem Vorfall hörte.
Alan, schon blass genug durch den Schock, wurde noch bleicher und fiel auf seine Knie. „Wie könnt Ihr mir jemals vergeben, Mylady? Ich habe meine Pflicht versäumt, Euch zu beschützen!“
„Keiner von uns hatte erwartet, dass Sir Drogo zu solch einer List greift“, versuchte Genevra ihn zu beruhigen. Ihre Hände zitterten noch immer, als sie ihn von seinen Knien hob. „Wir alle dachten, er sei auf die Jagd geritten. Ich hatte Angst, einer seiner Männer könnte mich angreifen, aber nicht mein eigener Schwager!“
„Ich hätte gewarnt sein sollen.“ Alan schüttelte den Kopf. „Ich wusste, es gab Zwietracht und böses Blut zwischen meinem Herrn und Sir Drogo, aber ich kannte den Grund dafür nicht. Wenn es wahr ist, was Sir Drogo behauptete, dann wundert es mich nicht, dass mein Herr ihm solch großen Hass entgegenbringt und eine neue Heirat so lange ablehnte – bis er Euch getroffen hat, Mylady. Das alles trug sich zu, bevor ich in Lord Roberts Dienste trat. Ich kannte die Einzelheiten nicht.“
„Vielleicht ist es auch Lüge“, sagte Genevra. „Und Drogo wollte damit nur prahlen.“
Doch wenn dies die Wahrheit war, dann erklärte sich die Haltung ihres Gemahls, die sie bisher so verwirrt hatte.
„Er wird Euch nicht mehr nahetreten, Mylady“, versprach Alan. „Captain Nori und seine Söldner stehen bereit, Sir Drogos Leute auch mit Gewalt hinauszuwerfen, sollte es dazu kommen. Falls wir Sir Drogo in unserer Gewalt halten, bis sie außerhalb der Burgmauern sind, dann werden sie es nicht wagen, die Waffen gegen Nori zu erheben.“
„Hoffentlich suchen sie nicht ihre Rache an den Dorfbewohnern zu stillen“, sorgte sich Genevra.
„Wir werden darauf vorbereitet sein“, war alles, was Alan grimmig erwiderte.
„Und wir werden Euch nicht allein lassen, bis sie alle weit fort sind!“, rief Annys aus, die genauso betroffen war und sich mitschuldig fühlte wie die anderen.
„Ihr müsst Euch ausruhen, Annys“, sagte Meg ernsthaft. „Ihr könnt Euch auf meinen Strohsack legen, solange Ihr hier in der Kemenate seid.“
Kurze Zeit später rief die Glocke alle zum mittäglichen Mahl. Genevra wusste, dass sie keinen Bissen hinunterbringen konnte, doch es war ihre Pflicht, sich an der Tafel zu zeigen, zu beweisen, dass sie ruhig und unverletzt war. Eine Wache wurde eingeteilt, um die Rückkehr der Jäger zu melden, doch da diese Wein und Brot mitgenommen hatten, erwartete man sie nicht vor dem Abend.
Es war schon spät am Nachmittag, als das Signalhorn die Rückkehr von Drogos Leuten verkündete. Zu ihrer allgemeinen Verwirrung sahen sie, dass die Wachttürme von Bogenschützen strotzten und dass sie nur eingelassen wurden, um ihre Habseligkeiten zusammenzuraffen, bevor man sie aus der Burg wies.
„Wollt Ihr, dass il signore am Leben bleibt?“, fragte Nori mit eiskaltem Ton. „Dann lasst Pferde und Waffen hier, packt Eure Satteltaschen und kehrt sogleich zurück. Habt Ihr verstanden?“
Sein starker italienischer Akzent und der dunkle Bart trugen dazu bei, ihn noch wütender erscheinen zu lassen. Drogos Männer gehorchten, nur einige Flüche und drohende Gebärden begleiteten ihren Abgang. Schließlich waren sie Noris Söldnern auch zahlenmäßig weit unterlegen.
Einige Zeit später kehrten sie bepackt wieder und warteten unter strenger Bewachung auf Drogo. Sie mussten zuerst reiten. Sobald sie außerhalb der Burgmauern waren, sollte ihm erlaubt werden, ihnen zu folgen.
Als Drogo und seine Begleiter ihre Pferde im inneren Burghof bestiegen, ertönte das Horn vom Torhaus. Genevra, die die Abreise von der Treppe zum Rittersaal beobachtete, blickte angestrengt auf die neu Ankommenden. Zuerst konnte sie sie nicht erkennen, nur dass sich der Trupp im gestreckten Galopp näherte, als ob der Teufel hinter ihnen her wäre.
Dann erkannte sie das Braunrot zwischen den glitzernden Helmen.
„Robert!“, flüsterte sie.
Freude und Erleichterung erfüllten sie, doch dann stieg die Angst in ihr auf, als hätte sie jemand mit einem Eimer kalten Wassers begossen.
Die Brüder würden einander treffen, vermutlich beim Torhaus, denn Alan würde Drogo nun nicht gestatten, die Burg zu verlassen. Sie raffte ihre Röcke und begann zu laufen.
Der Soldat, der Drogos Pferd am Zügel hielt, zögerte bei dem vertrauten Ton, als St. Aubins Herold das Signalhorn der Wache beantwortete. Drogo, der ein frisches Wams unter seinem Mantel trug und von seinen
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