Historical Exklusiv Band 36
tropfte auf den Boden. Sein Diener trat zu ihm, um ihn zu stützen.
„Doch Ihr seid mein Bruder“, fuhr Robert fort. „Ich hege nicht den Wunsch, unserer Mutter noch mehr Leid zuzufügen. Indes seid gewarnt. Zweimal habe ich Euch Euer wertloses Leben geschenkt. Ich werde es nicht noch einmal tun. Und nun …“, seine Haltung spannte sich, seine Stimme schwoll an, „… verlasst Merlinscrag und wagt niemals zurückzukehren. Ihr werdet keinen Einlass finden. Jegliche Amtsgewalt, die Ihr in Thirkall genossen habt, ist aufgehoben. Es ist Euch nur erlaubt, Eure Mutter und Eure Schwester zu besuchen. Auch ist Euch jede Erlaubnis entzogen, eine Burg oder ein Gut zu betreten, dessen Eigentümer der Baronie von St. Aubin Gehorsam schuldig ist. Befehle dieses Inhalts wurden ausgeschickt, bevor ich Thirkall verlassen habe, denn der Schreiber des falschen Briefes hatte gestanden, dass er von Euch bestochen wurde, unsere Schwester zu überlisten. Auch er ist nicht mehr in Thirkall“, bemerkte er grimmig. Er schwieg. Das Gewieher eines Pferdes durchdrang die Stille, die nun folgte. „Das ist alles, was ich Euch zu sagen habe.“
Drogo gab keine Antwort. Die Niederlage hatte ihn überwältigt, aber in seinen Augen leuchtete der Hass, als er seines Bruders Blick begegnete.
„Mylord!“, rief sein Diener aus. „Sir Drogo kann nicht reiten. Sein Arm muss verbunden werden.“
„Dann führt ihn aus diesen Mauern hinaus und kümmert Euch darum. Im Dorf lebt ein Priester, der sich auf die Kunst des Heilens versteht. Ich hege indes großen Zweifel, dass er zu viel Blut verloren hat, um auf einem Pferd sitzen zu können. Es ist mir gleich, wo Ihr die Nacht verbringt, solange es außerhalb dieser Mauern ist.“ Sein eiskalter Blick fiel auf Drogo. „Zur zwölften Stunde des morgigen Tages habt Ihr dieses Land verlassen, oder ich lasse Euch wie einen Hund davonjagen. Habt Ihr mich verstanden?“
Drogo verzog seinen Mund zu einer Grimasse und sagte schließlich: „Ich habe verstanden, Bruder. Doch die Erinnerung an mich werdet Ihr nicht los. Eure Gemahlin war mehr als gastfreundlich.“ Er wandte sich mit einem spöttischen, vertraulichen Lächeln an Genevra, der Blick in seinen fahlen blauen Augen strafte sein Lächeln jedoch Lüge. „Vielleicht solltet Ihr sie nach ihren Wünschen fragen, bevor Ihr mich von Eurem Land verbannt.“
Robert hatte ihr bisher nur einen Blick zugeworfen. Auch jetzt sah er sie nicht an. Genevra wollte vortreten, wollte entgegnen, dass sie nie wieder wünsche, Drogo zu begegnen, indes Robert ergriff das Wort, bevor sie den Mund öffnen konnte.
„Die Meinung meiner Frau ist ohne Bedeutung. Lebt wohl, Bruder. Ich bete zu Gott, wir mögen uns nie wieder begegnen.“
Er wischte sein Schwert an einem Grasbüschel sauber und steckte es in die Scheide. Sein Pferd stand noch in der Nähe. Alan sprang vorwärts, um ihm in den Sattel zu helfen. Jetzt war er nicht mehr imstande, sich leicht in den Sattel zu schwingen. Die Erschöpfung war nicht bloß in seinem Gesicht, sondern in jeder seiner Bewegungen sichtbar.
Man hob Drogo auf sein Pferd. Sein Gefolge folgte ihm schweigend durch das Torhaus, über die Zugbrücke, vorbei an den Wachttürmen. Jemand hatte ein Tuch um seinen blutenden Arm gebunden. Mit beiden Händen hielt er sich am Sattelknauf fest, während ein Knecht sein Pferd am Zügel führte. Er machte nun keinen Versuch mehr, heldenhaft oder tapfer zu sein. Erst als das Burgtor hinter ihm verschlossen und verriegelt wurde, kam Bewegung in Robert.
Er wendete sein Pferd und ritt den Hügel empor bis vor den Palas. Genevra, Meg an ihrer Seite, schritt langsam hinauf.
Er hatte ihr keinen Blick zugeworfen.
9. KAPITEL
S ie spürte einen Krampf im Magen. Übelkeit stieg ihr in die Kehle. Genevra betrat die Kemenate, sank auf die weich gepolsterte Truhe und barg das Gesicht in den zitternden Händen.
Sie hatte Meg fortgeschickt. Sie musste Robert allein gegenübertreten. Noch war er in der Kammer, um seine staubige Kleidung abzulegen, so blieb ihr ein wenig Zeit, um wieder zu Kräften zu kommen.
Sie wusste nicht, warum er sie nicht angesehen oder gegrüßt hatte, sie hatte jedoch den schrecklichen Verdacht, er könnte Drogos falschen Anschuldigungen Glauben schenken.
Er war doch in dem Augenblick eingetroffen, da man Drogo unter Bewachung aus Merlinscrag verwiesen hatte! War das nicht Beweis genug, dass er gelogen hatte?
Doch Robert brauchte keinen Beweis ihrer Unschuld. Wie konnte er glauben,
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