Historical Exklusiv Band 42
peinlich für sie gewesen sein, doch die Szene an sich hörte sich recht amüsant an. „Wer war es?“, fragte sie, wobei sie sich um einen angemessen betroffenen Tonfall bemühte.
„Ich habe keine Ahnung“, erwiderte Talitha und wurde rot. Sie konnte doch schlecht sagen, dass ihr lediglich sein Vorname bekannt war – was würde Lady Parry denken?
„Ein älterer Herr?“ Die Worte wurden von einem verschmitzten Augenzwinkern begleitet, das Talitha nicht verborgen blieb.
„Nein, Mylady. So um die dreißig oder vielleicht ein wenig jünger“, überlegte Talitha, wobei sie ihre gerade Nase, die Mr Harland stets als schöner bezeichnete als die der besten griechischen Statuen, krauszog.
Bezaubernd, dachte Lady Parry und betrachtete das Spiel der Emotionen auf Talithas Gesicht. Eine solche Tochter sein Eigen nennen zu dürfen! So attraktiv, so intelligent. Und bessere Kleidung würde sich an ihr so gut machen … „Hat er Ihnen geholfen?“
„Ja, Mylady, obgleich er mich daran gehindert hat, die Hutschachtel von der Straße zu retten, bevor eine Kutsche darüber hinwegrollte.“
„So, so, dieser Gentlemen hat Sie also verärgert – und das nicht nur durch seine Langsamkeit bezüglich der Hutschachtel, nehme ich an?“
Jetzt wurde Talitha feuerrot und Lady Parry rief aus: „Gütiger Himmel, Miss Grey, was hat er denn nur getan? Hat er sich Freiheiten herausgenommen?“ Das hätte durchaus der Fall sein können, denn die Sorte Mann, die nichts dabei fand, ein Küchenmädchen zu begrapschen, wenn es ihm gerade einfiel, mochte eine attraktive junge Hutmacherin bei passender Gelegenheit gleichermaßen behandeln. Jedenfalls hatte dieses Exemplar offensichtlich die natürliche Gelassenheit und Selbstbeherrschung erschüttert, die Miss Grey ansonsten an den Tag legte.
„Nein, nicht, wenn Sie damit meinen, ob er versucht hat, mich zu küssen oder ob er eine unanständige Bemerkung gemacht hat, Mylady. Aber … aber als ich mich geärgert habe, wegen Ihres Hutes, hat er in die Schachtel geblickt und geschätzt, was er wohl gekostet hat, und dann hat er dafür bezahlt ! In Guineen, auf offener Straße!“ Sie schluckte. „Die Leute haben es gesehen!“
„Lieber Himmel, das war allerdings außerordentlich gedankenlos von ihm“, rief Lady Parry aus. „Kein Wunder, dass Sie so verärgert sind.“ Was hatte sie denn jetzt wieder gesagt? Das Mädchen war puterrot.
„Ja, nur sollte ich nicht verärgert sein, es ist sehr undankbar von mir, und ich bin sicher, dass es reine Gedankenlosigkeit war.“ Talitha wurde von Minute zu Minute verwirrter, was ihre Gefühle diesem Nick gegenüber anging. Was war er denn nun? Der galante Retter oder ein herzloser Windhund, der sich nicht zu schade war, mit den Gefühlen eines hart arbeitenden, anständigen Mädchens zu spielen?
„Ich denke nicht, dass Sie dafür, dass er die Freundlichkeit besessen hat, Ihre Hutschachteln aufzuheben, so dankbar sein müssen, dass Sie seine Unbesonnenheit nicht zur Kenntnis nehmen dürfen. Wo Sie durch ihn doch in aller Öffentlichkeit plötzlich im Blickpunkt des Interesses standen.“ Leicht außer Atem durch die Anstrengungen einer solchen verzwickten Erklärung, lehnte Lady Parry sich zurück und betrachtete ihr Gegenüber interessiert. Es steckte mehr hinter dieser aufgelösten Fassade, als sie zugab, dessen war sie sicher.
Eifrig kramte Talitha in ihrer Tasche nach einem Taschentuch. Sie konnte nicht weitersprechen, denn der Aufruhr ihrer Gefühle wurde stärker, je mehr sie über die Begegnung nachdachte.
Den Mann gesehen zu haben, der erst gestern ihren nackten Körper betrachtet hatte – so viel Wut zu verspüren, wenn sie doch wusste, dass sie ihm eigentlich Dank schuldete für seinen Takt und sein schnelles Handeln. Ihr war klar, dass ihre Verärgerung in keinem Verhältnis stand zu dem Vergehen, dessen Opfer sie soeben geworden war.
„Ich bitte um Verzeihung, Mylady“, fing sie an, als ein Geräusch an der Haustür sie unterbrach. Es wurde geöffnet und Schritte ertönten, begleitet von männlichen Stimmen.
„Oh, gut, William ist wieder zu Hause“, erklärte Lady Parry. „Ich habe zwar keine große Hoffnung, dass er mich zu Lady Cressetts Soiree heute Abend begleitet, aber ich werde ihn dennoch fragen. Ich bin sicher, dieser Schlingel wusste genau, dass ich ihn fragen wollte, denn er hat sich aus dem Staub gemacht, noch bevor ich zum Frühstück hinunterkam! Wären Sie so freundlich und würden nach Rainbird
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