Historical Exklusiv Band 42
wieder. „Ich weiß jetzt, dass ich mich noch viel mehr in Acht nehmen muss.“
Talitha beugte sich vor, um ihr den Arm zu tätscheln, und warf Nick einen warnenden Blick zu. Millie brauchte keine Belehrungen darüber, wie gefährlich ihre Situation war.
Nick zog lediglich eine Augenbraue hoch und sagte: „Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, Ihr Talent auf andere Weise zu nutzen, Miss LeNoir?“
Millie lächelte. „Ich weiß, dass ich als Solistin nicht gut genug wäre. Meine Stimme trägt nicht weit genug.“
„Auf einer Opernbühne vielleicht nicht, da mögen Sie Recht haben. Ich dachte dabei eher an private Feiern, musikalische Abende vor ausgewähltem Publikum oder dergleichen. Man müsste natürlich sehr gut überlegen, welche Angebote man annimmt und welche nicht, außerdem bräuchten Sie einen Fahrer und eine Anstandsdame. Dennoch glaube ich, dass Sie sehr gut damit verdienen könnten – und Sie wären solchen Beleidigungen und aufdringlichen Aufmerksamkeiten wesentlich weniger ausgesetzt.“
Mit großen Augen starrte Millie ihn an, dann klatschte sie vor Freude in die Hände. „Oh, ja! Oh, Mylord, vielen Dank – das wäre genau das Richtige.“
„Ich kann dir ein paar Empfehlungen schreiben für den Anfang“, bot Talitha ihr an. „In kurzer Zeit wirst du deine eigene Empfehlung sein. Und, Millie, ich habe hin und her überlegt, was ich dir für ein Geschenk machen könnte – darf ich dir deine Anstandsdame für das erste Jahr bezahlen?“
Als sie schließlich in der Upper Wimpole Street ausstieg, sprudelte Millie über vor Begeisterung. Nick wartete, bis er sah, wie sich die Haustür hinter ihr schloss, dann pochte er mit seinem Stock gegen das Dach der Kutsche. Als sich die Räder wieder drehten, fragte er: „Nun?“
„Ich wusste nicht, dass er dort sein würde“, verteidigte sich Talitha. „Ich hatte keine Ahnung, dass sie überhaupt Männer in die Garderobe lassen. Ich bin nur gekommen, weil Millie ihre Tasche vergessen hatte.“
„Ich weiß. Ich wollte dich bei Mrs Blackstock abholen, und sie sagte mir, dass du dort seiest.“
„Oh, ich dachte …“
„Du dachtest, ich wäre aus demselben Grund in der Oper wie Hemsley, stimmt’s?“
„Ich weiß nicht, was ich geglaubt habe, ich war nur froh, dich zu sehen!“ Es war nicht der richtige Zeitpunkt, ihm seine genauen Kenntnisse der Oper vorzuwerfen. Talitha suchte nach einem anderen Weg, ihn zu treffen. „Mich alleine in einer geschlossenen Kutsche abzuholen ist etwas unkonventionell, oder nicht?“
„Wie du siehst, sitzen wir aber gerade in einer geschlossenen Kutsche. Wie du ebenfalls bemerkt haben dürftest, habe ich meine niederen Instinkte sehr gut unter Kontrolle. Falls du also nicht auf die Idee kommst, das Fenster herunterzulassen und ‚Zu Hilfe!‘ zu rufen, sollten wir aus dieser Kutsche aussteigen können, ohne in einer Ehe zu enden.“
Talitha dachte über mögliche Antworten nach – einschließlich solch extremer Regungen, wie sich ihm an den Hals zu werfen, ihm eine Ohrfeige zu verpassen oder darauf zu bestehen, die Kutsche anhalten zu lassen und auszusteigen. Sie bezweifelte, dass irgendetwas die aufreizend unterkühlte Gelassenheit erschüttern konnte, die er an den Tag legte, sie hatte es sich jedoch in den Kopf gesetzt, seine Unnahbarkeit zu untergraben. „Na, da bin ich aber erleichtert“, erklärte sie daher mit Wärme.
Talitha hatte gehofft, ihn damit provozieren zu können, auf seine tatsächliche Reaktion war sie jedoch nicht vorbereitet: Nick legte den Kopf zurück und lachte. So hemmungslos war dieser Heiterkeitsausbruch, dass ihm Tränen in die Augen schossen. Jede Spur von Zurückhaltung und Selbstbeherrschung war wie weggewischt.
Sie starrte ihn an, einerseits wie gelähmt vor Wut darüber, ausgelacht zu werden, und auf der anderen Seite wie erstarrt durch diese plötzliche Verwandlung. Die Kutsche verlangsamte ihre Fahrt und hielt schließlich vor dem Haus in der Bruton Street. Nick wischte sich die Tränen aus den Augen und sah Talitha grinsend an.
„Tallie, du bist bezaubernd .“ Er beugte sich vor und gab ihr einen brüderlichen Kuss auf die Wange, gerade als der Stallbursche ihr die Tür der Kutsche öffnete. „Jetzt aber rein mit dir, sonst macht sich Tante Kate noch Sorgen.“
Der Stallbursche mochte zwar mit seinem Ausdruck gut geschulter Teilnahmslosigkeit dort stehen und so tun, als sei er unsichtbar, doch seine Gegenwart reichte aus, dass Talitha sich jedwede
Weitere Kostenlose Bücher