historical gold 036 - Der Flug des Falken.doc
wenigen verbliebenen würden bald die Waffen strecken müssen. „Steh auf und ergib dich", herrschte Adrian den Knaben an.
Recht mühsam, die Augen vor Angst geweitet, mit leichenblasser Miene, rappelte der Bursche sich langsam auf die Füße und hob schwankend, die Kreuzstange mit den Händen umfassend, dem Baron of Warfield das Schwert entgegen.
Adrian ergriff das Heft und spürte eine innere Erschlaffung, die ihn stets nach einem Sieg überkam. Bei dem Gedanken, dass er fast einen halbwüchsigen Burschen getötet hätte, noch dazu ohne zwingende Notwendigkeit, presste er beschämt die Lippen zusammen. Er bemühte sich stets, unnötiges Blutvergießen zu vermeiden, wiewohl auch er im Kampf schon so manchen Gegner totgeschlagen hatte. Diesmal hatte er es jedoch nur Walter zu verdanken, dass er beizeiten zur Vernunft gekommen war.
Um sich seine Gefühle nicht anmerken zu lassen, erkundigte er sich barsch, welcher Herkunft der Junge sei, und erfuhr, dass er Joscelin Martel, einen Neffen des Earl of Sussex, überwältigt hatte. Zufrieden übergab er ihn in Walter of Eveshams Obhut. Der Knappe würde eine beträchtliche Auslöse einbringen. Mit solchen Geldern war es gelungen, Burg Warfield wieder aufzubauen.
Walter berichtete, zwei seiner Männer seien schwer verletzt und vier andere leichter verwundet. Drei der Feinde waren getötet und zwei lebensgefährlich getroffen worden. Drei weitere hatten starke Blessuren davongetragen, wür den aller Wahrscheinlichkeit nach jedoch überleben.
Während die Verwundeten notdürftig versorgt und die Toten reiterlosen Pferden auf die Kruppe gelegt wurden, hörte Adrian von dem in dieser Gegend aufgewachsenen Guibert de Röche, dass man sich in der Nähe einer Priorei befand. Das war eine glückliche Fügung, da er die Pflegebedürftigen bei den Nonnen lassen und die Reise ohne große Verzögerung fortsetzen konnte. Erleichtert gab er den Be fehl, zum Kloster zu reiten.
Langsam setzte der Zug sich in Bewegung und schlug die Richtung nach Lambourn Priory ein. Nach einer Weile verließ Walter of Evesham den Platz an der Spitze, ritt zum Baron of Warfield zurück und sagte verächtlich: „Guy de Burgoigne, der feige Hund, ist uns wieder einmal entkommen!"
„Ja, leider", stimmte Adrian zu. „Er versteht es meisterhaft, seine Haut zu retten und sich im letzten Augenblick aus dem Staube zu machen! Erst hat er den König bei Wilton im Stich gelassen und dann wohl geglaubt, er könne uns hier in einen Hinterhalt locken. Wir hatten großes Glück, Walter! Hätte ich nicht zufällig vor mir ein fremdes Pferd schnauben gehört, wäre ich nicht aufmerksam geworden, und wir lägen jetzt erschlagen am Flussufer."
„Was heißt hier Glück?" fragte der Hauptmann und rieb sich seufzend den schmerzenden Oberschenkel, wo ein harter Schwerthieb ihn getroffen hatte. Flüchtig dachte er daran, dass er sich ungeachtet seiner Jahre doch recht tapfer gehalten hatte, und fügte laut hinzu: „Nur deiner Wachsamkeit, Adrian, und deinem Mut haben wir es zu verdanken, dass es nicht zu Schlimmerem gekommen ist! Ich weiß gar nicht mehr, in wie viele Gefechte Burgoigne dich im Laufe der Zeit verwickelt hat, weil ihn nach deinem Besitz gelüstet! Diese ständigen Fehden werden erst dann aufhören, wenn einer von euch tot ist."
„Das wird er sein!" erwiderte Adrian grimmig. Noch hatte er das erkorene Ziel, die Morde an seinen Angehörigen zu rächen, nicht erreicht. In den sechs seit dem Antritt des Erbes verstrichenen Lenzen hatten andere Aufgaben seine ganze Kraft in Anspruch genommen. Den ersten Kampf hatte er bereits überstehen müssen, als die Sonne nach dem Verlassen von Fontevaile Abbey noch nicht hinter dem Ho rizont verschwunden war. Zum ersten Male war ein Gegner von seiner Hand gefallen und er selbst verwundet worden, und ehe noch der nächste Abend anbrach, hatte er der ersten Frau seines Lebens beigelegen.
Nach dieser stürmischen Rückkehr in die Welt war es sein vordringlichstes Anliegen gewesen, das Vermächtnis des Vaters zu verteidigen und Burg Warfield größer und trutziger denn je zu errichten. In den vergangenen Sommern hatte er weder die Zeit noch die Mittel für eine lange Belagerung von Burgoignes Veste besessen. Doch eines Ta ges kam der Moment, da Guy de Burgoigne ihm in die Hände fiel, und dann würde der feige Mörder vor seinen Richter treten müssen.
Die Priorin nahm nicht am Abendgebet teil. Mit gelassener Miene, die nichts von Besorgnis erkennen ließ,
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