historical gold 036 - Der Flug des Falken.doc
auf eine solche Lösung zu warten. Burgoigne will morgen meine Entscheidung hören.
Ich muss also vorher einen Ausweg gefunden haben. Richard, wir sollten jemanden auftreiben, der sich in Wenlock Castle auskennt."
„Ich bin dort gewesen", sagte Alan und lächelte, als die Schwager ihn überrascht anschauten. „Was wundert euch das? Ihr habt mich ja nie danach gefragt! Vor vielen Sommern war ich mit Mylord Moreton Gast in der Veste. Den Burgherrn selbst habe ich nicht gesehen, denn dann hätte ich heute gewusst, welch Ungeheuer er ist. Ich hatte damals indes viel Musse und habe mich auf der Landwehr umge schaut. Es ist immer gut, wenn man mit den Verteidigungsanlagen vertraut ist."
„Schwager", sagte Adrian beeindruckt, „das kommt uns wie gerufen! Hast du zufällig herausgefunden, wo der Kerker ist?"
„Ich kann mir nicht denken, dass Burgoigne meine Schwester zu dem gemeinen Gesindel ins Verlies geworfen hat", antwortete Alan stirnrunzelnd. „Hm, vielleicht doch. So, wie ich ihn nun erlebt habe, traue ich es ihm zu. Ganz sicher bin ich nicht, wo die Gefangenen untergebracht sind, meine jedoch, dass die Zellen sich unter dem Keep befinden."
„Nun ja, du hattest ja auch keinen Anlass, im finstersten Winkel des Kastells herumzutappen", erwiderte Adrian achselzuckend. „Trotzdem ist es schade, dass wir die genaue Örtlichkeit nicht kennen. Wir werden also doch jemanden suchen müssen, der uns in diesem Punkt weiterhelfen kann. Richard, kümmere du dich darum. Ich werde mich ein wenig in der Gegend umschauen."
„Hoffst du, einen unterirdischen Gang zu finden, durch den du in die Festung eindringen kannst?" fragte der Bruder spöttisch.
„Wer weiß?" Adrian zuckte mit den Schultern. „Das Schlechteste wäre es gewiss nicht."
„Ich werde dich begleiten!" verkündete Alan entschlossen, stellte den leeren Pokal ab und stand auf.
„Da ich dich offensichtlich doch nicht abschütteln kann", sagte Adrian de Lancey schmunzelnd, „ergebe ich mich in mein Schicksal!"
Wolken waren aufgezogen und hatten den Himmel verdüstert. Bleiernes Licht lag über der Landschaft, und leichter Regen behinderte die Sicht.
Jede Deckung nutzend, ritten Adrian de Lancey und Alan de Vere durch das Gebüsch, stets bemüht, nicht von den Scharwächtern auf den Wehrgänge n bemerkt zu werden. Dräuend und abweisend erhob sich die Ringwehr auf dem Felsen, und die aus festen Quadern gefügten Mauern schienen unerstürmbar.
Im Schütze des Waldes, der sich zu Füßen des Burgbergs erstreckte, umrundeten die Reiter langsam das Kastell. Drei der Flanken waren Feinden leichter zugänglich und gewiss bestens gesichert. An der Rückseite thronte die Veste jedoch auf einer Klippe, die so jäh abfiel, dass hier mit einem Eindringen bestimmt nicht gerechnet wurde. Die wenigen Bäumchen, die in den Spalten ein karges Dasein fristeten, waren gewiss keine Einladung, das Risiko eines Aufstiegs zu wagen.
Adrian of Warfield zügelte das Ross, betrachtete den Felsabhang und sagte bedächtig:
„Entsinnst du dich, Alan, wie stark bei deinem Besuch die Patrouille dort oben war?"
Alan überlegte und antwortete nach einem Moment: „Ich erinnere mich nicht, dass dieser Wehrgang überhaupt besetzt war. Die Posten standen alle auf den anderen Kurtinen."
„Burgoigne war schon immer ein sorgloser Trottel!" erwiderte Adrian kopfschüttelnd.
„Jetzt, mit unserem Heer vor seiner Nase, dürfte er wachsamer geworden sein. Ich kann nur hoffen, dass seine Aufmerksamkeit mehr den drei anderen Seiten gilt."
„Wenn er keine Soldaten aufstellt, dann doch nur, weil die Burg hier uneinnehmbar ist", entgegnete Alan.
„Die Klippen, auf denen Warfield Castle erbaut ist, sind noch viel steiler, und dennoch habe ich es geschafft, in meine eigene Veste einzudringen", sagte Adrian schmunzelnd.
„Aber du bist bestimmt nicht bei Nacht und Regen hochgeklettert", wandte Alan de Vere nach einem Augenblick der Sprachlosigkeit ein.
„Nein", gab Adrian zu. „Diese Felswand ist jedoch einfacher zu bewältigen, weil man besser Halt findet."
Ungläubig sah Alan auf das glatte Gestein, starrte dann den Schwager an und murmelte fassungslos: „Du bist nicht bei Trost, Adrian! Was nützt es Meriel, wenn du abstürzt und dir den Hals brichst?"
„Und welchen Sinn hätte mein Leben, wenn Meriel nicht mehr bei mir ist?" entgegnete Adrian leise.
Die Worte stimmten Alan nachdenklich. Wenn der Earl of Shropshire gewillt war, Kopf und Kragen für Meriel zu riskieren, dann fand
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