historical gold 036 - Der Flug des Falken.doc
„zu Gott zurückzukehren und mich ihm zu weihen."
„Du willst alle weltlichen Güter im Stich lassen?" fragte Abt Honorius erstaunt und fügte ernst hinzu: „Mein Sohn, es gibt viele Wege, dem Schöpfer zu dienen. Niemand könnte dir vorwerfen, dass du, der Earl of Shropshire, deine Pflicht vor Gott und dir selbst nicht gut erfüllt hättest."
„Richard kann in meine Fußstapfen treten", entgegnete Adrian of Warfield und sah den Abt an. „Er wird ein besserer Seigneur sein als ich. Es hat keine Bewandtnis, dass er nur mein Halbbruder ist. Seine Stellung wird so stark sein, dass keiner sie ihm streitig machen wird."
„Und was ist mit deiner Gemahlin?" gab der Klostervorsteher dem Earl zu bedenken.
„Würdest du auch dann noch den Wunsch haben, Mönch zu werden, wenn sie zu dir zurückkehrte?"
Unvermittelt sah Adrian seine Gattin vor sich, in der Zeit, als echte Zweisamkeit sie verbunden hatte. Er meinte, ihre weiche Haut zu fühlen, ihr helles, fröhliches Lachen zu hören und ihre Zärtlichkeit zu spüren. „Sie hat sich von mir abgewendet", erwiderte er harsch. „Also habe ich auch keine Gemahlin."
„Früher glaubte ich, du seist ein Berufener, und vielleicht warst du es als Jünger des Herrn auch", sagte Abt Honorius nachdenklich und schüttelte dann langsam den Kopf. „Doch du bist nicht mehr der Mensch von damals. Bleib in Fontevaile, so lange du es wünschst, aber ich werde dir nicht gestatten, das ewige Gelübde abzulegen."
„Warum nicht? Bin ich dir als reicher, mächtiger Zwingherr lieber denn als bettelarmer Zisterzienser?"
„Das war keine sehr christliche Äußerung, mein Sohn", antwortete der Abt mit feinem Spott.
„Ich bitte um Vergebung, Ehrwürdiger Vater", sagte der Earl of Shropshire zerknirscht.
„Ich weiß, dass ich dir etwas Falsches unterstellt habe. Wenn du mich jedoch nicht willst, werde ich mir ein anderes Kloster suchen."
„Ich bin sicher, man würde dich mit offenen Armen aufnehmen. Indes, ich bitte dich, deine Absicht gründlich zu überdenken. Viel zu oft sehen Menschen in der Abgeschiedenheit eines Ordens nur eine Zuflucht vor den Nöten dieser Welt. Nicht immer ist das ein falscher Standpunkt, bei dir ja! Bist du wirklich überzeugt, mit freudigem Herzen zu uns zu kommen, da dir ein dem Allmächtigen geweihtes Leben das einzig erstrebenswerte erscheint? Oder willst du nur vor der Leere flüchten, die deine Gemahlin hinterlassen hat? Nein, mein Sohn, ich bin sicher, wenn du die Wahl zwischen dem Klosterdasein und dem Eheleben an der Seite deiner Gattin hättest, würdest du dich für Meriel entscheiden. Und jemand, für den die Heilige Dreieinigkeit nur die zweite Wahl ist, sollte nicht Mönch werden."
Nach langem Schweigen lächelte der Earl of Shropshire verlegen und erwiderte: „Du hast recht, ehrwürdiger Vater. Ich muss gestehen, dass ich schon als junger Bursche zum Teil nur deswegen nach Fontevaile kam, weil ich vor mir selbst und meinem Hang zur Grausamkeit fliehen wollte. Aber ein Diener Gottes sollte wahrhaftig an den Herrn glauben."
„Der Glaube allein zählt nicht, auch die Tat", sagte Abt Honorius und erhob sich. „Du hast viel Gutes geleistet und kannst noch mehr tun. Es gibt wenige weltliche Herren, die sich so wie du von christlichem Denken leiten lassen."
Adrian of Warfield beugte das Knie, neigte sich über die Hand des Klostervorstehers und küsste den Ring.
„Sollte je der Moment kommen", fuhr Abt Honorius bedächtig fort, „da du zweifelsfrei weißt, dass du wirklich berufen bist, dann werde ich dich wie einen Bruder bei uns aufnehmen. Bis dahin werde ich für dein Seelenheil beten. Und nun gehe, mein Sohn, und zieh mit Gott!"
18. KAPITEL
Meriel war ein herzliches Willkommen bereitet worden, und die Zuneigung der Menschen war Balsam auf ihre verwundete Seele. Vieles in Avonleigh war vernachlässigt worden, und sie hatte alle Hände voll zu tun, um Haus und Besitz zu altem Glanz zu verhelfen. Bei all der Arbeit kam es ihr manchmal so vor, als sei sie nie fort gewesen, doch sie musste sich eingestehen, dass sie sich in den vergangenen Monaten sehr verändert hatte.
Zu viel hatte sie durchgemacht und zwischen Furcht und Unverzagtheit, Zorn und Leidenschaft, Verstehen und Verständnislosigkeit gelebt. In mehr als nur einer Hinsicht war sie nicht mehr das unschuldige Mädchen, das früher hier in Avonleigh ein vor aller Unbill geschütztes Dasein geführt hatte.
Ein Bild ging ihr Tag und Nacht nicht aus dem Sinn — Guy de
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