historical gold 036 - Der Flug des Falken.doc
wahrscheinlich sogar hartherziger."
Meriel ließ die Hände sinken, verschränkte die Finger und starrte auf den Reif mit dem funkelnden Rubin. Wie oft hatte sie ihn abziehen wollen, es jedoch immer wieder unterlassen.
„Du bewunderst Adrian, nicht wahr?" fragte sie leise.
„Ja", gab Alan zu. „Gemeinsam durchstandene Gefahren schaffen Bande. Mehr noch, ich mag ihn gern. Er ist anständig und hat sich sehr beherrscht, wenn ich ihm Vorwürfe machte.
Er hat mehr Courage denn jeder andere, der mir je begegnet ist. Und er liebt dich", fügte Alan weich hinzu. „Ich habe nie erlebt, dass ein Mann so viel Liebe für eine Frau im Herzen trägt.
Was immer dir durch ihn zunächst an Unbill zugefügt wurde, er hat dann doch alles getan, um sein Verschulden gutzumachen. Du könntest dir keinen besseren Gemahl wünschen."
„Er liebt mich nicht!" wandte Meriel ein und fragte sich im selben Moment, ob sie den eigenen Worten glaubte. „Einst schwor er, mich niemals gehen zu lassen, und dennoch hat er es getan, hat mit keinem Wort versucht, mich zurückzuhalten. Seine Liebe war nur eine flüchtige Besessenheit! Nun ist sie verflogen, und er will sich von mir befreit wissen. Unsere Ehe ist am Ende."
„Nur, wenn du es willst."
„Ich... vielleicht sollte ich nach Warfield Castle reisen und mit Adrian sprechen", flüsterte Meriel, hob den Kopf und schaute den Bruder unsicher an.
„Ich stimme dir zu. Wann möchtest du fahren? Ich werde dich nach Warfield Castle begleiten."
Nun, da sie sich zu dem Ent schluss durchgerungen hatte, nur durch das Wiedersehen mit ihren Gefühlen ins reine kommen zu können, wusste sie, dass sie nicht mehr warten konnte.
„Heute?" fragte sie hoffnungsvoll.
„Wie du möchtest", willigte Alan ein. „Ich werde sogleich anschirren lassen."
Alan verließ das Gemach und begab sich zu den Stallungen. Meriel war sich vielleicht unschlüssig, was sie für Adrian de Lancey empfand; er jedoch meinte, es zu wissen.
Auf der Fahrt nach Warfield Castle schwankte Meriel zwischen Bangen und Vorfreude.
Als der vierspännige Wagen dann am Morgen eintraf, war Meriel zutiefst enttäuscht, dass Adrian sich nicht in der Veste aufhielt.
Von Walter of Evesham erfuhr sie, Mylord Warfield sei ausgeritten, aber er wusste nicht, wohin der Seigneur sich begeben oder wann er zurückkommen würde.
Die Aussicht, lange warten zu müssen, behagte Meriel nicht. Sie hatte während der Fahrt geschlafen, sich in der Frühe durch einen kalten Imbiss gestärkt und fühlte sich jetzt frisch und ausgeruht. „Ich kann mir denken, wo Adrian ist", sagte sie zum Bruder. „Komm!" Rasch ging sie über den Hof in das Vogelhaus.
Edmund war bei der Fütterung der Falken, blickte überrascht auf und sagte erfreut:
„Mylady! Wie schön, dass du zurückbist. Chanson hat dich vermisst, und der Seigneur ebenfalls. Man erzählte sich, er habe beschlossen, ins Klo ster zu gehen, weil du ihn verlassen hättest. Ich habe das nie geglaubt und war immer überzeugt, du seist nur zu deinem Bruder gereist."
Meriel konnte sich vorstellen, dass ein solcher Entschluss in Adrian gereift war. Vielleicht war das auch der Grund, warum er die Ehe auflösen wollte. Es kostete sie Mühe, sich die Fassungslosigkeit nicht anmerken zu lassen, und in gezwungen ruhigem Ton erwiderte sie:
„Ich war tatsächlich in Avonleigh zu Gast. Und nun möchte ich meiner Sahin ein wenig Bewegung verschaffen. Ich habe Chanson viel zu sehr vernachlässigt."
„Wie es dir beliebt, Mylady", sagte der Falkner und verneigte sich. „Ich bringe dir alles Notwendige zum Stall."
Meriel nickte und ging dann zu dem Pelegrin. Leise und zärtlich auf ihn einredend, kraulte sie ihm die Backenbefederung, strich ihm über den schwarzen Rücken und raunte ihm zärtlich zu: „Bis gleich, Chanson."
Auf dem Weg zu den Stallungen fragte Alan verwundert: „Kannst du mir erklären, warum du ausgerechnet jetzt zur Jagd willst?"
„Ich habe eine ganz bestimmte Beute im Sinn", antwortete Meriel lächelnd. „Vielleicht kann Chanson mir Adrian fangen!"
„Ei der Daus!" erwiderte Alan grinsend. „Adrian ist doch kein Rebhuhn oder ein Fasan!"
„Ein Versuch kann nicht schaden", entgegnete Meriel. „Ich halte es nicht aus, hier untätig auszuharren!" Sie wies einen Knecht an, ihr ein Pferd aufzuzäumen, wartete unge duldig, bis es gebracht wurde, und ließ sich dann vom Bruder in den Sattel helfen. „Wenn du müde bist, musst du nicht mitkommen", sagte sie leichthin. „Ich hätte
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