Historical Gold Band 251
zur Hand nehmen. Aber es gab dabei ein Problem.
Margaret konnte seine Nähe immer noch körperlich spüren, wie ein Echo, das in ihr nachhallte. Sie konnte immer noch spüren, wie er über sie gebeugt dagestanden hatte, seine Lippen so nah an den ihren. Beinahe hörte sie sich selbst protestieren: Sie wissen doch so gut wie gar nichts von mir. Diesmal fügte sie im Geist die Wahrheit an: Ich bin Lady Anna Margaret Dalrymple, und ich habe Ihnen meine Identität verschwiegen, damit ich Ihre Fehler umso besser herausbekommen kann. Sie dürfen mir nicht vertrauen.
Doch in ihrer Vorstellung sah er sie immer noch mit diesem rätselhaften Lächeln an. Ich brauche keine Sammlung von Fakten, um zu begreifen, wie wunderbar Sie sind. Ich irre mich nicht. Ich irre mich nie.
Diesmal aber doch. Er lag vollkommen falsch. Sie würde ihn verraten, und damit würde sie auch all seine ruhige Gewissheit zerstören.
Nur … dass sie es gar nicht tun wollte. Wenn er sich täuschte, was ihre Vertrauenswürdigkeit anging, konnte es mit seinem Einfühlungsvermögen nicht weit her sein. Und das bedeutete, dass auch all die anderen Behauptungen, die er aufgestellt hatte, falsch sein könnten, auch die, dass sie etwas bedeutete. Margaret wollte aber etwas bedeuten.
Mehr noch: Sie wollte Ash nicht verraten. Sie wollte seine freundlichen Worte nicht derart verzerren, bis sie zu Waffen geworden waren, mit denen sie ihn bekämpfen konnte. Sie wollte nicht diejenige sein, die erste Zweifel in ihm säte. Sie wollte ihn küssen, und das konnte sie nicht, wenn ihr Gewissen von einem Verrat beschwert wäre.
Tief atmete sie durch und nahm sich ein Blatt Papier. Sie würde ihren Brief schreiben – und dabei auslassen, was sie erfahren hatte. Niemand würde seine Worte verstehen, nicht so, wie er sie gemeint hatte. Wenn sie ihn schon verraten würde, dann würde sie es mit der Wahrheit tun, nicht mit irgendeiner verdrehten Version derselben. Und so fiel ihr Brief kurz aus, wenig informativ und schlicht. Die einzige Lüge, die schließlich enthalten war, kam am Ende, als sie ihrem Bruder alles Liebe von ihrem Vater bestellte.
Als sie fertig war, löschte sie ihre Kerze, und im Zimmer wurde es dunkel.
„Ash!“ Marks Stimme unterbrach Ashs morgendliche Besprechung. In der sonst so ausgeglichen klingenden Stimme seines Bruders lagen Wut und Verzweiflung.
Langsam drehte Ash sich auf seinem Stuhl um. Mark stand in der offenen Tür, die Hände zu Fäusten geballt. Er hatte noch keinen Rock übergezogen, seine graue Weste war nicht zugeknöpft. Sein Haar stand zu Berge, als hätte er mit beiden Händen in der blonden Pracht herumgewühlt, und seine Augen waren weit aufgerissen.
„Was hast du damit angestellt?“, fragte er schneidend.
Auf diesen Augenblick hatte Ash gewartet. Er wartete seit letzten Abend darauf, als er die Anweisung gegeben hatte. Doch statt eine direkte Antwort zu geben, zeigte er sich verwundert. Schließlich gehörte es zur Rolle eines älteren Bruder, den jüngeren dazu zu treiben, sich die Haare zu raufen, ehe er dann alles wieder in Ordnung brachte.
Mark straffte sich, stakste zu ihm hinüber und legte die Hände auf den Tisch. „Ist das deine Art, mich für die Ereignisse gestern zu bestrafen?“
Zwei von Ashs Londoner Angestellten saßen mit am Tisch. Sie hatten sich zu Mark umgedreht und sahen ihn an. Bei seiner Frage setzten sie betont gleichgültige Mienen auf. Schließlich waren sie in den Scherz eingeweiht.
Ash sah noch ein wenig verwirrter drein. „Welche Sünden hast du denn gestern begangen, die nun nach Bestrafung rufen?“, überlegte er laut. „Habe ich da etwas verpasst?“
„Nichts, was das hier rechtfertigen würde!“ Drohend schwang Mark die Fäuste. „Wo, bei allen Heiligen, ist mein Buch, Ash? Ich sitze nun schon ganze zwei Jahre daran! Willst du, dass ich dich auf Knien anflehe, es mir zurückzugeben? Ich tu’s, wenn du nur …“
„Ach so.“ Ash zog den Laut in die Länge, als hätte er bis zu diesem Augenblick keine Ahnung gehabt, wovon sein Bruder sprach. „Dein Buch . Cottry, würden Sie meinen Bruder bitte über den Verbleib seines Buchs aufklären?“
Mr Cottry warf ihm einen wenig amüsierten Blick zu, erwiderte jedoch gleichmütig: „Ich glaube, Farraday hat es, Mr Turner.“
„Farraday hat es?“, wiederholte Mark. „Warum sollte Mr Farraday mein Buch haben?“
Ash deutete auf Cottry.
„Mr Farraday“, erklärte Cottry schlicht, „fertigt eine Abschrift.“
Der Zorn in
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