Historical Gold Band 251
entfernt. Er betreut dort eine Geburt, sagt seine Haushälterin. Bestimmt bleibt er über Nacht da, wegen des Sturms. Es hat ja keinen Sinn, bei diesem Wetter noch zurückzureiten.“
Ash löste sich von der Wand. „In Lower Odcombe gibt es auch einen Arzt.“
„Ja, Sir, aber Lower Odcombe ist sieben Meilen entfernt. Der ganze Regen, und jetzt wird es auch noch Nacht und …“ Josephs hielt inne und betrachtete Ash unsicher.
Doch Ash beachtete den Mann gar nicht. Er sah Margaret an.
„Sie sorgen sich um ihn.“ Seine Stimme klang hart. „Warum auch immer.“
Sie musste es ihm sagen. „Ash, ich …“
Er unterbrach sie mit einem Nicken. „Dann reite ich hin.“ Er verneigte sich flüchtig, und bevor sie noch mehr tun konnte, als ihm voll verwirrtem Staunen nachzublicken, war er schon zur Tür hinaus.
Der Duke schwieg still, während die Kerzen in der Dunkelheit flackerten. Sein Lebensgeist schien sich tief in seinen Körper zurückzuziehen, und die Stille wurde größer. Er wirkte schon jetzt beinahe wie ein Leichnam. Bleich und dürr lag er zwischen den Leintüchern.
Sie fragte sich, was sie früher von ihrem Vater gehalten hatte. Jetzt wusste sie es. Sie hasste das, was er getan hatte, wünschte sich, dass er sich im Verlauf seiner Krankheit nicht in hochfahrende Arroganz zurückgezogen hätte. Sie verstand ihn nicht mehr. Doch so verwirrend und schmerzlich die Gegenwart auch war, sie liebte den Mann, der er einmal gewesen war. Und sie wollte einfach nicht glauben, dass dieser Mann nicht zurückkehren würde.
Der Arzt kam ein paar Stunden später. Er betrat das Zimmer allein. Obwohl sein Kragen immer noch feucht war von der Anreise, stellte er seine Arzttasche ab, zog sich die dunklen Handschuhe aus und machte sich sofort ans Werk.
Ohne Margaret anzusehen, trat er ans Bett. Er prüfte die Augen ihres Vaters, fühlte seine Handgelenke und seinen Oberbauch. Dann setzte er einen Holzzylinder auf die Brust ihres Vaters und legte das Ohr ans andere Ende.
Margaret wartete geduldig, bis er sich wieder aufrichtete.
„Er liegt nicht im Koma“, erklärte der Arzt. „Das ist gut. Ich bin Dr. Ardmore.“
Margaret fühlte sich plötzlich schwach. Das stundenlange Warten hatte sie bis an ihre Grenzen erschöpft.
„Nach Mr Turners Beschreibung hatte er einen Gehirnschlag. Die Auswirkungen können sehr unterschiedlich sein. Manchmal halten sie nur einen Tag lang an. Manchmal können sie gar nicht mehr gelindert werden.“ Der Mann schüttelte den Kopf. „Es war jedoch gut, dass Sie seinen Kopf gekühlt haben. Das ist eine der ersten Maßnahmen, die man in so einem Fall ergreift. Sie müssen Miss Lowell sein.“
„Eigentlich bin ich …“
„Egal. Es gibt einiges zu tun. Man muss ihn von den üblen Säften reinigen. Wenn Sie mir assistieren möchten, ich habe etwas Krotonöl mitgebracht. Ich nehme an, dass Sie Erfahrung darin haben, es dem Patienten einzuflößen. Sie finden alles Nötige in meiner Tasche. Zwischenzeitlich lasse ich ihn zur Ader.“
Der Mann wandte sich ab, und Margaret starrte verzweifelt auf die schwarze Tasche. Sie öffnete sie und spähte hinein. Ein Sammelsurium an Klammern, Ahlen und Sägen blickte ihr entgegen.
„Ähm.“
„Das Kautschukschläuchlein“, rief der Arzt ungeduldig vom Bett. „Und Honigseim. Oder Haferschleim. Gütiger Himmel. Ich weiß, dass Sie noch jung sind, aber haben Sie denn überhaupt keine Ausbildung genossen?“
Für Lügen war hier kein Raum. „Ich bin keine Pflegerin. Ich bin die Tochter Seiner Gnaden.“
Er runzelte die Stirn und rieb sich den kahlen Schädel. „Wie merkwürdig. Man hat mir gesagt … nun ja.“ Er schüttelte den Kopf, zu müde, sich mit gesellschaftlichen Feinheiten herumzuschlagen. „Verdammt.“
„Ich kann trotzdem helfen“, meinte sie. „Wenn Sie mir sagen, was ich tun soll.“
Er protestierte nicht. „Das müssen Sie auch.“
Es war das erste Mal seit langer Zeit, dass sie sich als Lady Anna Margaret zu erkennen gegeben hatte. Beinahe war es beruhigend, die Wahrheit so gleichgültig beiseitegewischt zu sehen, einfach als weiteres Paar Hände betrachtet zu werden – als kompetent, nicht als unfähig. Für Etikette und Förmlichkeit war jetzt wirklich nicht der richtige Zeitpunkt.
Er gab ihr genauere Anweisungen, und nachdem sie ihrem Vater die Mixtur eingeflößt hatten, schickte der Arzt sie fort, damit sie sich ausruhte. Doch als sie aus dem Zimmer in die dunkle Galerie trat, schien Ruhe unmöglich. So müde
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