HISTORICAL JUBILÄUM Band 03
mich dorthin zu gehen?“
„Sie haben keine Einwände zu erheben?“, vergewisserte er sich. Bethany war sicher, in seinen Augen ein fröhliches Aufblitzen zu entdecken, obwohl seine Stimme ernst und besorgt klang.
„Nein, nein.“ Winnie machte eine entsprechende Handbewegung. „Ich habe nichts dagegen, hier eine Weile allein und in Ruhe zu sitzen.“
„Es gibt da etwas, das ich Ihnen unbedingt erzählen muss.“ Bethany ging an Kanes Seite über eine weite Rasenfläche. Der Hund tollte vor ihnen im Gras herum. „Es ist von allergrößter Bedeutung“, setzte sie noch hinzu.
Er seufzte. „Also gut, Bethany, heraus mit der Sprache. Wir sind ganz allein. Keiner kann uns hören.“
„Ich … ich habe gelogen, als ich sagte, der Kuss des Wegelagerers habe keinerlei Eindruck auf mich gemacht.“
Er blieb wie angewurzelt stehen und schaute sie ungläubig an. Bethany spürte, wie ihre Wangen heiß und rot wurden, und blickte verschämt zu Boden.
„Er hat Ihnen also doch etwas bedeutet?“
„Ja. Er hat mich sogar zutiefst aufgewühlt.“
„Gab es mehr als einen Kuss?“
„Mylord!“ Bethany trat einen Schritt zurück. Ihr war, als hätte er sie ins Gesicht geschlagen. „Es war nur ein Kuss. Obwohl … also, wenn ich ganz ehrlich bin, waren es mehrere Küsse. Ich finde auf jeden Fall, dass Sie darüber Bescheid wissen sollten, jetzt, da Sie mich offiziell umwerben.“
„Ihre Aufrichtigkeit ist anerkennenswert, Bethany.“ Er verkniff sich ein Lächeln, um sie in ihrer Ernsthaftigkeit nicht zu beleidigen. „Wenigstens weiß ich jetzt, mit wem ich es als Rivalen zu tun habe.“
„Er ist kein Rivale“, versicherte Bethany und biss sich nervös auf die Lippe. „Er hat mir gesagt, er würde für immer aus Cornwall verschwinden.“
„Ach, deshalb also haben Sie Ihre Einwilligung zu meinem Werben gegeben?“
„Vielleicht. Ich weiß nicht so recht. Aber wenn Sie unsere Beziehung nun lieber beenden möchten, habe ich dafür volles Verständnis.“
„Beenden?“ Kane verschränkte die Hände hinter dem Rücken. Bethany war eine Locke in die Stirn gefallen, und er wollte unbedingt der Versuchung widerstehen, sie zu berühren. „Der sogenannte Lord der Nacht interessiert mich …“, er schnipste mit den Fingern, „… nicht im Geringsten. Er hat Sie geküsst und Sie damit tief beeindruckt. Na und? Kommen Sie. Wir wollen unseren Entdeckungsgang fortsetzen.“
Bethany war sehr verwundert. Das sollte alles gewesen sein? War der Earl of Alsmeeth seiner selbst so sicher, dass er den unauslöschlichen Eindruck, den der Lord der Nacht auf sie gemacht hatte, mit einem Fingerschnipsen abtun konnte? Nachdenklich setzte sie an seiner Seite den Weg fort.
Als sie die Ruine erreichten, griff Kane nach Bethanys Hand, um ihr über die herumliegenden Steine zu helfen. Bei der Berührung wurde ihr plötzlich ganz heiß, und in ihren Schläfen fühlte sie das Pochen des Pulses.
„Hier befinden wir uns an der Stelle, an der früher einmal der Altar stand“, erklärte Kane. Er schien fest entschlossen, das Gespräch von zuvor nicht weiterzuverfolgen. Er deutete auf einige angehäufte Steine. „Als Junge war ich oft hier. Ich schwor damals, einen Chor singen zu hören, doch meine Mutter bestand darauf, dass es sich nur um das Säuseln des Windes handelte.“
Sein Tonfall hatte sich verändert, und Bethany sah ihn genauer an.
„Ich wollte ihr so gerne glauben“, fuhr er mit seltsam monotoner Stimme fort, „aber ich konnte einfach nicht. Ich wusste, was ich hörte. Und an manchen Tagen verstand ich sogar die Worte der Gesänge.“
„Was für Gesänge waren das?“
„Lobgesänge, Hymnen.“ Nach kurzer Pause fuhr Kane in seiner Erzählung fort: „Eines Tages kam eine alte Frau, die Fasaneneier sammelte, hier vorbei. Sie erzählte mir, dass zu Zeiten ihres Großvaters Cornwall von einer Gruppe grausamer Piraten heimgesucht worden sei. Die Bewohner einiger Dörfer hatten Zuflucht in dieser Kapelle gesucht, und die Seeräuber ermordeten sie gnadenlos, während die armen Leute Hymnen sangen, um sich Mut zu machen.“
Bethany lief ein eisiger Schauder über den Rücken. „Haben Sie Ihrer Mutter davon erzählt?“
Er nickte. „Sie fühlte sich dabei äußerst unwohl und bat mich, mit niemandem darüber zu sprechen, nicht einmal mit meinem Vater. Sie hatte Angst, man könnte mich meiden wie die Pest, wenn diese Dinge ans Tageslicht kämen. Bestenfalls hätte man mich für einen kleinen Jungen mit seltsamer
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