HISTORICAL JUBILÄUM Band 03
besten geht Ihr einen Schritt zur Seite, Captain, während ich den Zuber ganz nah vor den Kamin stelle. Dann habt Ihr es warm, wenn Ihr badet.“
„Danke, Whit. Das ist sehr aufmerksam.“ Sie sah zu, als er den Zuber absetzte.
Dann wandte sie sich zur Tür, als ein Mann eintrat, der in jeder Hand einen Eimer mit heißem Wasser trug.
Gray! Einen Herzschlag lang war sie nicht in der Lage, zu atmen oder sich zu bewegen. Obgleich sie sein Gesicht kaum sehen konnte, das von der Krempe eines schäbigen Huts halb verdeckt war, erkannte sie seinen kraftvollen Körper. Die langen Beine. Die schmalen Hüften.
„Das ist der Captain, von dem ich dir erzählt habe, Gryf.“
Der Mann wandte sich ihr zu und nickte, während Darcy ihn wie benommen anstarrte. Die Gesichtspartien, die sie sehen konnte, schienen merkwürdig entstellt zu sein. Er hatte geschwollene, hängende Lider, die ihm ein verschlafenes, beinahe sinnliches Aussehen verliehen. Es war unmöglich, seine Augenfarbe zu erkennen. Doch mit seinem Blick stimmte irgendetwas nicht.
„Captain.“ Seine Stimme glich einem seltsamen Krächzen, als ob er dieses eine Wort nur unter größter Anstrengung hatte hervorbringen können.
Als er sich von ihr abwandte, pochte Darcys Herz schmerzhaft in ihrer Brust. Ihr Atem ging unregelmäßig. Doch während sie den Fremden beobachtete, wurde ihr klar, dass es sich nicht um Gray handeln konnte. Das war nicht seine Stimme gewesen. Und auch das Gesicht wies andere Züge auf; die untere Hälfte war von einem rauen, stoppeligen Bart bedeckt. Außerdem hatte er ihr in die Augen gesehen und sie offensichtlich nicht erkannt.
Verstohlen beobachtete sie den Mann, der langsam und bedächtig seiner Arbeit nachging und zuerst den einen und dann den anderen Eimer in den Zuber füllte. Genau wie Whit trug auch er abgetragene Kleidungsstücke, die ihm nicht passten. Die Beinkleider waren ihm einige Nummern zu groß und wurden an der Taille von einem Strick zusammengehalten. Das zerschlissene Hemd spannte sich am Rücken und an den Schultern.
Als die Eimer leer waren, trottete er die Stufen hinunter und erschien einige Minuten später mit zwei weiteren.
„Danke, habt Dank.“ Jetzt, da sie ihre Stimme wiedergefunden hatte, wagte Darcy ein zaghaftes Lächeln.
Es wurde nicht erwidert. Der Fremde nickte bloß und verließ die Dachkammer.
„Warum spricht dein Freund in diesem seltsamen Flüsterton?“
„Es tut ihm weh.“ Whit reichte ihr ein Stück gelber Seife, bevor er zur Tür ging. „Ich warte draußen. Wenn Ihr fertig seid, gebt Ihr mir Eure Kleider. Ich sorge dafür, dass Ihr sie vor Sonnenaufgang wiederhabt.“
Sie blieb auf der Schwelle stehen. „Ja, gut. Aber ich warne dich, Whit, wenn das ein Trick ist, so werde ich dich und deinen Freund Gryf finden und euch eure Diebesherzen aus dem Leib schneiden.“
Der Junge zitterte bei ihrem strengen Tonfall. In diesem Moment hatte er keinen Zweifel mehr daran, dass alle Geschichten stimmten, die er über diese Frau gehört hatte. Sie hatte einen streitlustigen Blick, und sie sah so aus, als ob sie einem Kampf nicht abgeneigt wäre.
Minuten später öffnete sich die Tür erneut einen Spalt, und eine Hand wurde sichtbar, die eine abgetragene Hose, ein farbenprächtiges Hemd und ein zartes Unterhemd hielt. „Am Morgen liegen diese Sachen vor meiner Tür, Whit.“
„Aye, Captain. Sie werden wie neu aussehen.“
Darcy schloss die Tür und hörte, wie der Bursche die Treppe hinunterging. Dann ließ sie sich in den Zuber sinken und schloss die Augen. Newton hat recht, dachte sie mit einem Lächeln. Es waren die kleinen Dinge im Leben, die alle Schwierigkeiten erträglicher werden ließen. Später würde sie alles ertragen, was die Hölle für sie bereithielt. Doch jetzt war sie dem Himmel so nah.
In das Leinentuch gehüllt und mit duftendem Haar trat Darcy nach einem ausgiebigen Bad an das kleine Fenster und starrte auf die dunkle See.
Irgendwo dort in der Ferne war Grays Schiff gesunken. Vielleicht war die Undaunted heute sogar an jener Unglücksstelle vorbeigesegelt.
Warum hatte sie nichts Außerordentliches verspürt? Weshalb hatte seine Seele die ihre nicht berührt? Sie fühlte, dass Tränen in ihren Augen brannten, und wandte sich verärgert ab. Den erneuten Ansturm der Trauer hatte ohne Zweifel die Begegnung mit dem Fremden in ihr ausgelöst. Für einen glückseligen Moment war sie sicher gewesen, dass ihr Geliebter zu ihr zurückgekehrt war.
Es war dieser harte,
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