HISTORICAL JUBILÄUM Band 03
die halblaute Antwort. „Was ist mit Mistress Coffey und Miss Mellon?“
„In meiner Jugend galt ich als recht sportlich“, verkündete Winifred Mellon. „Ein paar Hausdächer stellen keine besonders große Herausforderung für mich dar.“
Mistress Coffey war sehr blass geworden, doch sie war entschlossen, keine Schwäche zu zeigen. „Wenn Miss Mellon von einem Dach zum nächsten hüpfen kann, werde ich es ihr gleichtun“, erklärte sie mit zittriger Stimme.
„Was sollen wir machen, wenn wir uns aus den Augen verlieren oder aus irgendeinem Grund getrennt werden?“, flüsterte Darcy.
Abwartend blickten alle auf Riordan. Mit fester Stimme erklärte er: „Die Sea Challenge liegt inzwischen auf dem Grund des Atlantiks. Ich finde, wir sollten Sledges Schiff für unsere Flucht benutzen.“
„Ja.“ Ambrosia ballte die Hände zu Fäusten. „Das scheint mir so etwas wie ausgleichende Gerechtigkeit zu sein.“
„Es ist also beschlossen.“ Bethany griff nach Ambrosias Hand und drückte sie mit aller Kraft. „Wir laufen zu den Docks und schwimmen hinüber zur Skull .“
„Ja, und wir müssen noch vor dem Morgengrauen die Segel setzen, sonst kommen wir nie und nimmer lebend aus dem Hafen hinaus. Auf jeden Fall werden wir vor Sonnenaufgang in See stechen.“ Nach einer kleinen bedeutungsvollen Pause setzte Riordan hinzu: „Auch dann, wenn einer von uns es nicht schafft, rechtzeitig an Bord zu sein. Könnt ihr darauf alle einen Schwur ablegen?“
„Ja!“, erklang die einstimmige Antwort.
Durch das Fenster zur Straße drangen Rufe und wilde Flüche heraus. Die Piraten hatten ihren toten Komplizen entdeckt und gleichzeitig bemerkt, dass ihre Gefangenen entkommen waren.
„Los jetzt!“, rief Riordan leise. „Wir müssen uns beeilen.“
Sie rutschten und liefen zum Ende des Daches, sprangen hinüber auf das nächste. Und dann rannten und sprangen sie, bis sie glaubten, ihre Lungen müssten bersten. Die Flüchtenden waren eisern entschlossen, ihren Peinigern zu entkommen.
„Wo ist Ambrosia?“ Riordan hielt sich keuchend an einem Schornsteinvorsprung fest. Es wurde jetzt schnell dunkel, was gleichermaßen ein Glücksfall wie auch ein Nachteil war. In der Dämmerung konnten ihre Verfolger sie nicht so leicht ausmachen. Andererseits war es den Fliehenden kaum mehr möglich, Hindernisse zu erkennen.
„Vor uns, Capt’n“, entgegnete Newton und deutete mit einem Finger auf wehende Röcke, die soeben hinter einem Schornstein verschwanden. „Sie hält sich dicht an ihren Großvater und die beiden alten Frauen, um ihnen bei Bedarf sofort helfen zu können.“
„Bleib ihnen dicht auf den Fersen“, bat Riordan. „Ich will nicht, dass sie in Gefahr geraten.“
„Okay, Capt’n. Und was ist mit Ihnen?“
„Ich komme zurecht.“ Kopfschüttelnd und bewundernd sah Riordan dem alten Seemann nach. Die halbe Stadt suchte nach der Gruppe. Aufgebrachte Piraten mit gezückten Schwertern durchkämmten die Straßen. Und diese ganz und gar erstaunliche Familie zeigte keinerlei Anzeichen von Furcht oder Ermüdung.
Ihm selber ging es zusehends schlechter. Die Schmerzen wurden unerträglich, und immer wieder übermannte ihn ein Schwindel, der ihm die Sicht trübte. Sein verletzter Arm schien eine einzige brennende Wunde zu sein, und das Pochen und Klopfen in seinem Kopf machte es ihm schwer, überhaupt noch einen klaren Gedanken zu fassen. Nur das Wissen darum, dass sie alle in Sicherheit wären, sowie sie das Piratenschiff erreicht hätten, half ihm, nicht aufzugeben.
Riordan fühlte sich für die ganze Familie und ihre treuen Bediensteten verantwortlich. Er würde nicht eher ruhen, als bis sie alle dieser Hölle entkommen waren.
Vor ihm lag ein weiteres Dach, das es zu erreichen galt. Riordan biss die Zähne zusammen und wappnete sich gegen den Schmerz, der ihn beim Sprung zu überwältigen drohen würde.
Er landete einigermaßen sicher und hielt sich mit dem gesunden Arm an einem Schornstein fest. Kurz schwankte er und wäre beinahe gestürzt. Als er sich von dem Schreck erholt hatte, sah Riordan vor sich die anderen laufen.
Bald, sagte er sich, bald werden sie in Sicherheit sein. Und dann kann ich mich endlich ausruhen.
Das war sein letzter Gedanke. Vor seinen Augen verschwamm alles, und die Welt um ihn her versank im Nichts.
„Halte durch, Großvater.“ Ambrosia half Geoffrey über das nächste Dach hinüber. „Wir haben es bald geschafft.“
„Ich kann gut auf mich selber aufpassen.“
„Ja, das
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