HISTORICAL JUBILÄUM Band 03
du geschlafen, meine Liebe?“, erkundigte sich Geoffrey Lambert und küsste sie auf die Wange, bevor er ihr einen Stuhl zurechtrückte.
„Ganz gut“, antwortete Ambrosia. „Ich muss allerdings zugeben, dass mir das Schaukeln der Hängematte gefehlt hat.“
Der alte Lambert fing einen Blick von Newton auf. „Sie spricht wie ein echter Seemann, findest du nicht auch?“
„Ja, Sir.“
Ambrosia verzichtete darauf, zu erzählen, dass sie Riordan noch viel mehr vermisste. Irgendwie hatte sie gehofft, er würde im Laufe der Nacht zurückkehren und sich in ihr Zimmer schleichen. Doch als sie am Morgen erwachte, war sie ganz allein und fühlte sich unsagbar einsam.
Die Haushälterin Mistress Davis kam herein, gefolgt von mehreren Bediensteten, die mit dem Auftragen der Frühstücksspeisen begannen.
„Haben Sie Neuigkeiten von Captain Spencer?“, wollte Ambrosia von ihr wissen, doch Mistress Davis schüttelte den Kopf.
„Nein“, sagte sie, „aber das ist nicht ungewöhnlich. In der Tat ist der Captain es gewohnt, sich monatelang nirgendwo blicken zu lassen, ohne jemanden vorher über seine Abwesenheit zu benachrichtigen.“
Ambrosia verschränkte die Hände ineinander und versuchte, nicht darüber nachzudenken, was das soeben Gehörte für sie bedeuten konnte. Monate! Allein die Vorstellung, ihn auch nur wenige Tage nicht zu sehen, war ihr unerträglich. Wie sollte sie jemals monatelang ohne ihn zurechtkommen?
Ein Klopfen ertönte an der großen Eingangstür, und die Haushälterin eilte hinaus, um zu sehen, wer so früh am Tag schon Einlass begehrte.
Wenig später kehrte sie in den Frühstückssalon zurück und überreichte Ambrosia eine Schriftrolle. „Das wurde für Sie abgegeben, Miss Lambert.“
„Es trägt … Das ist doch das Königliche Siegel.“ Ambrosia brauchte eine Weile, bis sie den Mut aufbrachte, das Schriftstück zu öffnen und zu lesen. Schließlich schaute sie auf und sagte einigermaßen erschüttert: „Wir werden zum Hampton Court Palast zitiert, um den König zu treffen.“
Die anderen blickten sie ungläubig an, und Ambrosia reichte Miss Mellon die Rolle. „Doch, es stimmt. Na los, Winnie, lies selbst, wenn du mir nicht glaubst.“
Die alte Kinderfrau las aufmerksam und nickte den anderen zu. „Ambrosia sagt die Wahrheit. Wir sind …“ Sie brach plötzlich in Tränen aus. Als sie sich wieder gefasst hatte, vollendete sie ihren Satz: „Herr im Himmel! Wir sind eingeladen, dem König unsere Aufwartung zu machen.“
In den folgenden Stunden glich Riordans Londoner Zuhause einem Tollhaus. Fünf Frauen waren damit beschäftigt, sich für den größten Tag ihres Lebens herauszuputzen.
Sie mussten sich für Kleider entscheiden, doch nicht nur das. Auch die Accessoires wie Schals, Tücher, hauchzarte Unterkleider, zierliche Stiefelchen aus Kalbsleder und Hüte sowie andere Kopfbedeckungen galt es, mit großer Sorgfalt auszusuchen.
Sie jammerten über ihre Haare und besonders über die Farbe ihrer Haut, denn besonders die Gesichter der Damen entsprachen so gar nicht dem gängigen Schönheitsideal, das nach zarter, heller Haut mit einem Hauch von Rosa auf den Wangen verlangte.
Und nicht zuletzt machten sie sich Gedanken darüber, was sie bei Hofe sagen, wie sich drehen und wenden sollten. Wann und wie tief sollte der Hofknicks ausfallen? Würden sie sich vor der großen Versammlung, die zum Alltagsleben des Königs gehörte, blamieren?
Während ihre Schwestern und die älteren Hausangestellten wie im Traum herumliefen, spürte Ambrosia neue Kräfte in sich aufsteigen. Sie würde Riordan sehen, und nur das war ihr wichtig. Nicht einmal die Aussicht, dem König zu begegnen, ihm womöglich sogar vorgestellt zu werden, belebte sie so sehr wie der Gedanke an Riordan.
Außerdem, so sagte sie sich, gibt es keinen Grund, wegen des Königs aufgeregt zu sein. Er wird uns in der Masse der Gesichter wahrscheinlich gar nicht bemerken.
Als sich die fünf Frauen schließlich im Salon einfanden, brachen sie in Rufe des Entzückens aus. Denn Geoffrey Lambert sah in seinen modischen knielangen Hosen aus seidig glänzendem Stoff und dem dunklen Gehrock dazu aus wie der vornehmste Gentleman, der ihnen je begegnet war.
Sogar Newton hatte sich dazu bequemt, elegante Beinkleidung und einen dazu passenden Rock anzuziehen. Doch man merkte es ihm an, dass er diese Kleidung nicht gewohnt war. Er bewegte sich nach wie vor wie jemand, der den größten Teil seines Lebens auf See verbracht hatte. Man hatte
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