Historical Lords & Ladies Band 40
offiziell mit Christian verlobt.“
Eine Zeit lang blickte Sophie schweigend ins Kaminfeuer. Dann wandte sie sich wieder zu ihrer Tante. „Kurz nach unserer Ankunft sah ich Mrs Blackmores Porträt. Sie war sehr schön. Aber ich glaube, die Dienstboten mochten sie nicht. Und Rose erzählte mir, nach der Hochzeit sei Mr Blackmore sehr unglücklich gewesen …“
„Bitte, Liebling, es wäre mir lieber, du würdest nicht auf das Dienstbotengeschwätz hören“, fiel Megan ihr ins Wort. „Und wenn dir irgendwelche Klatschgeschichten zu Ohren kommen, solltest du sie nicht weitererzählen. Meistens entsprechen sie nicht der Wahrheit.“ Sie stand auf und öffnete ihre Pelisse. „Geh jetzt in dein Zimmer, und zieh dich um. Wir sehen uns beim Lunch. Vorher möchte ich ein paar Briefe schreiben.“
Gehorsam eilte Sophie zur Tür, wo sie sich noch einmal umdrehte. „Fühlst du dich sehr unbehaglich in diesem Haus?“
„Seltsamerweise nicht. Und deshalb werde ich noch eine Weile hierbleiben.“
Sophie strahlte vor Freude. „Wundervoll, Tante Megan! Weißt du – ich begreife nicht, wie Mr Blackmore eine andere Frau inniger lieben konnte als dich.“
Mit gemischten Gefühlen schaute Megan ihr nach. Ihre Nichte war rührend loyal und offenbar beunruhigt, seit sie die Wahrheit kannte – genauso wie Charlotte, die normalerweise nicht zur Indiskretion neigte. Sicher hatte sie sich dem Vikar und seiner Frau nur anvertraut, weil sie von ernsthaften Sorgen geplagt wurde.
Sie warf die Pelisse neben ihren Hut und schlüpfte hastig in eines ihrer modischen Tageskleider. Dann nahm sie einen Schal aus dem Schrank und verließ ihr Zimmer, um die Bibliothek aufzusuchen und ihrer Schwester zu schreiben, es bestehe kein Grund zu irgendwelchen Besorgnissen.
Auf dem Treppenabsatz blieb sie stehen, so wie Sophie ein paar Stunden zuvor. An dieser Stelle war Mrs Blackmore die Stufen hinabgestürzt. Wie mochte es geschehen sein? Hier gab es nichts, worüber man stolpern konnte. Und das Fenster, das der verstorbene Mr Blackmore über der Haustür hatte einbauen lassen, spendete genug Licht. Da Mrs Blackmore ein Baby erwartet hatte, war sie wohl kaum zu schnell hinuntergestiegen. Aber in diesem Zustand litten viele Frauen unter häufiger Übelkeit. Vermutlich hatte sie die Besinnung verloren. Ja, so muss es gewesen sein, entschied Megan. Sie wurde ohnmächtig und fiel hinab …
Plötzlich fröstelte sie und zog den Schal enger um die Schultern, während sie die Stufen hinabeilte. In der Halle angekommen, ging sie zur Bibliothek und öffnete die Tür. Das Erste, was ihre Aufmerksamkeit erregte, war das Porträt einer wunderschönen Frau über dem Kaminsims. Und dann entdeckte sie Christian, der reglos wie eine Statue davor stand.
Oh Gott, warum hatte sie nicht bedacht, dass er sich in der Bibliothek aufhielt?
„Angeblich sieht ein Künstler Dinge, die normalen Sterblichen verborgen bleiben“, sagte er, ohne sich umzudrehen und festzustellen, wer eingetreten war. „Aber der Maler dieses Porträts wurde Louisa nicht gerecht. Ihre Augen glänzten nicht in diesem sanften Blau, sondern in kaltem Grau.“
„Tut mir leid, Chris“, entschuldigte sich Megan verlegen, als er sich endlich zu ihr wandte. „Ich wollte dich nicht stören – und nur einen Brief an meine Schwester schreiben. Aber das kann warten, ich komme später wieder.“
„Unsinn, du störst mich nicht, Megan“, versicherte er und ging auf sie zu. Viel zu dicht vor ihr blieb er stehen. „Solange du unter diesem Dach wohnst, sollst du dich wie zu Hause fühlen – in jedem Raum, auch in der Bibliothek.“
Diese Erklärung wirkte beruhigend – seine Nähe nicht. Noch nie war sie von seiner kraftvollen maskulinen Ausstrahlung eingeschüchtert worden. Aber nun musste sie sich sehr beherrschen, um nicht zurückzuweichen. Und es fiel ihr noch schwerer, sein Gesicht zu betrachten – die halb geschlossenen Augen, in denen sich ein verwirrender Ausdruck zeigte.
Offenbar galt sein Blick ihrem leicht geöffneten Mund, der plötzlich trocken wurde. Sie fuhr instinktiv mit der Zunge über ihre Lippen und hörte, wie Christian den Atem anhielt. Dann wandte er sich hastig ab, als würde er sich von ihr bedroht fühlen. „Nun muss ich dich allein lassen“, verkündete er mit einer Stimme, die seltsam und fremd klang. „Ich habe zu tun. Was du brauchst, findest du auf meinem Schreibtisch.“ Mit langen Schritten verließ er die Bibliothek.
Wieder einmal wurde Megan
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