Historical Lords & Ladies Band 40
aus seiner kultivierten Stimme heraus.
Während Lavinia ihn in ein Gespräch verwickelte, nutzte Megan die Gelegenheit, um ihn etwas genauer zu betrachten, und sie entdeckte eine schwache Verfärbung auf einem seiner Wangenknochen. „Offenbar hatten Sie einen Unfall, Mr Kent“, bemerkte sie und beobachtete, wie er automatisch sein Gesicht berührte.
„Bedauerlicherweise war ich so ungeschickt, im Gasthof gegen eine geschlossene Tür zu laufen, Miss Drew“, entgegnete er, bevor Sophies und Eves Rückkehr Megans Aufmerksamkeit ablenkte.
Sie konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Mit ihren fünfundzwanzig Jahren ließ sie sich nicht mehr so leicht von einem hübschen Gesicht beeindrucken. Aber die beiden jungen Damen starrten Mr Kent hingerissen an und schienen alles, was er sagte, für ein Evangelium zu halten. Der künstlerische Beruf betonte seine romantische Aura noch, und Megan registrierte etwas beunruhigt, wie ihre Nichte ihn anschmachtete. Umso verwunderlicher fand sie, dass Christian – normalerweise ein aufmerksamer Beobachter – die Gefahr nicht erkannte und Mr Kent für einen der nächsten Abende nach Moor House zum Dinner einlud.
Während der Heimfahrt gewann sie zwei Erkenntnisse. Sophie freute sich auf die vergnüglichen Stunden, die sie mit Eve verbringen würde. Und Christian schien den Besuch zu bereuen. Schweigend und gedankenverloren starrte er durchs Wagenfenster.
Sobald sie die Halle von Moor House betraten, verschwand er in der Bibliothek. Megan und Sophie gingen nach oben, weil sie sich für den Lunch umkleiden wollten.
„Auf der Heimfahrt hat Mr Blackmore kein Wort gesagt, Tante Megan“, bemerkte Sophie, während sie die Treppe hinaufstiegen. „Ist irgendetwas geschehen, das ihn verärgert hat?“
„Meines Wissens nicht, Liebes. Die meiste Zeit unterhielt er sich mit Mr Fortescue, vermutlich über die politische Situation jenseits des Kanals.“
„Hier ist sie hinabgestürzt“, sagte Sophie unvermittelt. „Mrs Blackmore. Aber ich glaube nicht, dass er sie hinuntergestoßen hat. Du etwa?“
Verblüfft blieb Megan stehen und fand keine Worte. Dann riss sie sich zusammen. „Komm!“, drängte sie und schaute sich um. „Hier dürfen wir nicht darüber reden. Begleite mich in mein Zimmer.“ Nachdem sie ihre Tür geschlossen hatte, erklärte sie: „Nein, sicher trifft deinen Vormund keine Schuld am Tod seiner Frau. Wo hast du dieses bösartige Gerücht gehört?“
„Rose hat es mir erzählt. Aber so etwas traue ich ihm nicht zu. Inzwischen habe ich ihn lieb gewonnen. Und du magst ihn auch, nicht wahr, Tante Megan?“
Diese Frage war nicht leicht zu beantworten. Schließlich gestand Megan: „Ja, ich mag ihn.“ Bevor sie sich wieder zu ihrer Nichte wandte, löste sie die Bänder ihres Huts und legte ihn aufs Bett.
„Stimmt etwas nicht?“, fragte sie, als sie Sophies gerunzelte Stirn sah.
„Nun ja …“, begann Sophie zögernd. „Ein paar Tage bevor wir Somerset verließen, kamen der Vikar und seine Frau zu Besuch, und ich hörte Charlotte mit ihnen reden. Sie sagte, sie sei besorgt, weil du in Moor House wohnen würdest und Mr Blackmore dein Herz von Neuem brechen könnte. Und heute Vormittag, in unserem ehemaligen Heim, begann ich mich zu erinnern … Vor all den Jahren bist du plötzlich zu Tante Charlotte gezogen. Hat er damals dein Herz gebrochen, Tante Megan? Wolltest du nicht mehr hier leben, weil Mr Blackmore eine andere geheiratet hat?“
„Ja, meine Liebe, so war es“, bestätigte Megan leise.
Die Augen voller Tränen, eilte Sophie zu ihr und berührte ihren Arm. „Oh Tante Megan! Warum hast du es mir nicht gesagt? Ich bin kein Kind mehr.“
„Zum Zeitpunkt jener Ereignisse warst du noch sehr jung. Vielleicht hätte ich dich einweihen sollen, als wir vom Tod deines Vaters erfuhren. Aber ich wollte dich nicht gegen deinen Vormund einnehmen.“ Megan ergriff Sophies kleine Hand und führte sie zum Sofa. „Stattdessen solltest du dir eine eigene Meinung über Mr Blackmore bilden. Und das hast du ja auch getan – du magst ihn.“
„Ja, er ist gut und freundlich. Und deshalb verstehe ich nicht, wie er dich so grausam behandeln konnte.“
Nachdenklich starrte Megan vor sich hin. Auch sie wusste, dass Christians Verhalten vor sechs Jahren nicht zu seinem Charakter passte. „Das darfst du ihm nicht verübeln. Er verliebte sich einfach nur in eine schöne Frau. Und was immer deine Tante Charlotte auch behaupten mag – ich war niemals
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