Historical Lords & Ladies Band 40
meine Liebe“, erwiderte Mrs Gardener, ohne von ihrer Stickerei aufzublicken. „Die Zeit vergeht so schnell, und ich habe noch eine ganze Menge zu tun.“
Warum musste die Frau unentwegt handarbeiten? „Sie wissen sich immer zu beschäftigen, nicht wahr, Madam?“, fragte Megan und hoffte auf eine Erklärung.
„Oh ja“, bestätigte Mrs Gardener selbstzufrieden. „Mein verstorbener Mann pflegte zu bemerken, meine Hände würden niemals ruhen. Übrigens, Ihre Nichte kann sehr gut sticken. Heute Morgen kam sie in mein Zimmer und zeigte mir ein Retikül, das sie angefertigt hatte – eine hübsche Arbeit. Ich finde Sophie sehr nett. Sicher sind Sie froh, dass sie sich so schnell hier eingelebt hat.“ Den Kopf über ihre Stickerei geneigt, nahm sie Megans ärgerliche Miene nicht wahr. „Nicht, dass ich mit irgendwelchen Problemen gerechnet hatte. Christian ist so ein verständnisvoller, warmherziger Gentleman. Man muss ihn einfach mögen. Wäre er nicht so gütig, hätte ich kein Dach über dem Kopf. Für mich ist seine Rückkehr nach England ein Himmelsgeschenk gewesen. Nun kann ich in Moor House leben, und dafür werde ich ihm ewig dankbar sein.“
Nur mühsam verbarg Megan ihre Verblüffung. Sie hatte nichts von Mrs Gardeners prekärer Lage gewusst. Kein Wunder, dass die arme Witwe bereit gewesen war, als Anstandsdame zu fungieren … Solange sie Sophie betreute, würde sie in einem luxuriösen Haus wohnen.
Nun verstand Megan auch, warum Mrs Gardener sich so oft mit ihrer Näharbeit befasste. Vermutlich schneiderte sie ihre Garderobe selbst, weil ihre finanzielle Situation sie dazu zwang.
Megan stand auf. „Dann will ich jetzt aufbrechen. Wenn Sophie früher als ich zurückkommt, sagen Sie ihr bitte, ich sei spazieren gegangen.“
„Natürlich, meine Liebe. Ziehen Sie sich warm an! Obwohl die Sonne scheint, ist die Luft ziemlich kalt.“
Was für eine liebenswerte, mütterliche Frau, dachte Megan auf dem Weg zu ihrem Zimmer. Wäre ihre Ehe mit Kindern gesegnet worden, hätte sie diese Stellung in Moor House nicht annehmen müssen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Nicht, dass sie darunter leiden würde. Sie war eine liebe, gutmütige Seele, die alles klaglos hinnahm – was aber keineswegs bedeutete, dass sie sich zur Anstandsdame eignete. Megan bezweifelte, dass Christians sanftmütige Cousine das Durchhaltevermögen besaß, das nötig war, um eine Debütantin durch die anstrengende Londoner Saison zu geleiten.
Bevor sie ihr Zimmer erreichte, hörte sie das Haustor ins Schloss fallen, trat an die hölzerne Balustrade und sah ihre Nichte die Halle durchqueren. Offenbar hatte sich Sophie über irgendetwas aufgeregt. Sie stürmte die Treppe herauf, eilte wortlos an ihrer Tante vorbei und verschwand hinter ihrer Tür.
„Um Himmels willen, was ist los?“ Megan folgte ihr verwirrt.
„Nie wieder reite ich mit ihm aus!“ Wütend schleuderte Sophie ihre Reitpeitsche und die Handschuhe in eine Ecke. „Wie kann er es wagen, so mit mir zu reden! Ich bin kein Kind mehr!“
„Beruhige dich, Liebes“, bat Megan und rettete den eleganten Zylinder vor dem Schicksal, das die Peitsche und die Handschuhe ereilt hatte. „Was ist denn geschehen?“
„Wir ritten zu den Fortescues hinüber. Zufällig war Mr Kent da.“ Sophie sank aufs Bett und schwang einen Fuß umher, als wollte sie gegen ein männliches Schienbein treten. „Natürlich merkte ich, dass er den Gentleman nicht mag. Während des ganzen Besuchs saß er schweigend da und runzelte die Stirn. Und auf dem Heimweg warf er mir vor, ich hätte Mr Kent angehimmelt und mich lächerlich gemacht. Dabei stimmt das gar nicht! Und dann behauptete er, Mr Kent sei ein zweitklassiger Künstler, der noch nie im Leben ernsthaft gearbeitet habe und mit seinen weibischen Händen nicht einmal die Zügel eines Pferdes festhalten könne. Das fand ich ungerecht, denn er hat Mr Kent noch nie reiten sehen. Deshalb entgegnete ich, sogar ich sei imstande, sein störrisches, albernes Biest zu bändigen.“ Helle Zornesröte stieg ihr ins Gesicht. „Und da sagte er, wenn ich meinen Sattel noch ein einziges Mal auf den Rücken eines seiner Pferde lege, würde er persönlich dafür sorgen, dass ich eine Woche lang unfähig wäre, bequem zu sitzen.“
Auch Megans Wangen färbten sich hochrot, was keineswegs mit Verlegenheit oder Scham zusammenhing. „Tatsächlich? Nun, das bleibt abzuwarten.“ Kampflustig rannte sie die Treppe hinunter. In der Halle traf sie
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