Historical Lords & Ladies Band 40
„Vielleicht stammte die Kugel aus dem Gewehr eines Wilddiebs. Aber die Möglichkeit eines Mordversuchs lässt sich nicht von der Hand weisen. Seit jenem Nachmittag patrouillieren Wachtposten auf Mr Blackmores Ländereien.“ Ob das stimmte, wusste sie nicht. Wie auch immer, es würde nicht schaden, ein solches Gerücht zu verbreiten. Da sich der schöne Kunstmaler offensichtlich für den Dorfklatsch interessierte, würde er zweifellos weitererzählen, was sie ihm soeben mitgeteilt hatte.
„Eine kluge Maßnahme“, meinte er. „Andererseits erweckt Mr Blackmore nicht den Eindruck eines Mannes, der sich irgendjemanden zum Feind machen könnte. Wie ich höre, genießt er hohes Ansehen in dieser Gegend.“
„Was er auch verdient, Mr Kent. Trotzdem geht niemand durchs Leben, ohne sich den ein oder anderen Feind zu machen.“
„Wohl kaum. Aber es scheint mir seltsam, dass er so kurz nach jenem Zwischenfall in die Hauptstadt fuhr. Vermutet er, es wäre kein Unfall gewesen?“
„Er zog mich nicht ins Vertrauen, Sir“, erwiderte Megan, womit sie die reine Wahrheit sagte, denn Christian hatte nur einen vagen Verdacht geäußert. „Vor dem Wochenende wird er zurückkehren.“ Ohne mit der Wimper zu zucken, hielt sie Lancelot Kents durchdringendem Blick stand. „Würden Sie uns die Ehre erweisen und am Freitagabend zu unserer Dinnerparty kommen?“
„Mit dem größten Vergnügen, Miss Drew. Vorerst werde ich nicht nach London zurückfahren. Und vielleicht bildet Ihre Party ein würdiges Finale meines Aufenthalts in Dorset.“
Obwohl die Worte harmlos klangen, missfiel ihr ein eigenartiger Unterton in seiner Stimme. Sie erhielt keine Gelegenheit, darüber nachzudenken, denn in diesem Augenblick eilte Giles zu ihr. „Da bist du ja, Megan!“ Flüchtig nickte er ihrem Gesprächspartner zu, bevor er ihr erklärte, seine Cousine und Sophie würden bereits in der Kutsche sitzen.
„Dann will ich sie nicht warten lassen. Bis Freitag, Mr Kent.“ Sie nahm den Arm, den Giles ihr bot, und folgte ihm zum Wagen, während der Künstler wie ein Wachtposten vor Louisas Grab stehen blieb.
„Keine Ahnung, woran es liegt, Megan …“, begann Giles, sobald sie außer Hörweite waren. „Jedenfalls kann ich den Kerl nicht ausstehen. Irgendwo habe ich ihn schon mal gesehen. Aber ich erinnere mich nicht, wo.“ Besorgt runzelte er die Stirn. „Es gefällt mir nicht, wie er um Sophie herumscharwenzelt.“
„Hat er ihr Avancen gemacht?“, fragte Megan erschrocken.
„Nicht direkt. Ein oder zwei Mal war er bei den Fortescues, als ich mit ihr hinging. Vielleicht bilde ich es mir nur ein – aber er schien ihr besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Zweifellos ist er ein hübscher Bursche, und solche Avancen steigen einem Mädchen leicht zu Kopf.“
Schuldbewusst stimmte Megan zu. In letzter Zeit war sie so mit ihren eigenen Problemen beschäftigt gewesen, dass sie sich kaum um ihre Nichte gekümmert hatte. „Von jetzt an werde ich mitkommen, wenn ihr beide ausreitet. Sophies Freundschaft mit Eve beunruhigt mich nicht. Doch sie sollte ihre Besuche bei den Fortescues einschränken, solange Mr Kent im Dorf wohnt.“
„Nächste Woche will er nach London zurückfahren.“
„Trotzdem … In ein paar Tagen kann viel passieren …“ Nachdenklich starrte sie vor sich hin. „Chris wüsste, was zu tun ist. Oh, ich wünschte, er wäre nicht abgereist!“, seufzte sie. Das zufriedene Lächeln, das sich bei ihren Worten auf Giles’ Miene breitmachte, entging ihr.
Am Montagmorgen betrat ein distinguierter Gentleman das Vorzimmer von Messrs. Blagdon, Blagdon und Metcalf. Der junge Schreiber gewann den Eindruck, er hätte ihn schon einmal gesehen. Normalerweise besaß er ein gutes Personengedächtnis. Doch er erkannte den Besucher erst an der tiefen, wohlklingenden Stimme wieder. „Ich weiß, ich habe keinen Termin bei Mr Metcalf. Wenn er gerade beschäftigt ist, würde ich warten. Oder ich komme später noch einmal hierher.“
„Oh nein, Sir … Ich sehe mal nach …“ Ehrfürchtig sprang der junge Mann auf und verschwand im Büro des Anwalts. Seine Verwirrung verblüffte Christian. Aber Mr Metcalf verstand sehr gut, was seinen Angestellten aus der Fassung gebracht hatte. Innerhalb weniger Wochen hatte sich der wohlhabende Klient drastisch verändert. Christian Blackmore wirkte um Jahre jünger – und sogar glücklich. „Welch ein unerwartetes Vergnügen, Sir!“, rief der Anwalt, nachdem er sich von seiner Überraschung
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