Historical Mylady Spezial Band 2
Bancroft gesellte sich am Rand der Tanzfläche zu ihm, wo er die tanzenden Paare mit finsterer Miene betrachtete.
Genauer gesagt beobachtete er nur Juliet, die ausgerechnet mit Darius Wynter den Walzer tanzte!
Abrupt drehte er sich Dolly zu. „Machst du dir Sorgen darum, dass ich die Gunst der Countess verloren haben könnte?“
Dolly hob die blonden Augenbrauen. „Viel wichtiger ist doch, ob du dir Sorgen deswegen machst.“
In diesem Moment konnte Sebastian nicht sagen, was er empfand. Beim Tee heute Nachmittag hatte er keine Gelegenheit gehabt, mit Juliet zu sprechen, und danach hatte sie sich zurückgezogen, um sich vor dem Ball auszuruhen. Kurze Zeit später war Sebastian ebenfalls nach oben gegangen, hatte aber sowohl ihre Zimmertür als auch die Tür zum Balkon verschlossen gefunden. Und auf sein Klopfen wurde nicht reagiert.
Als ob das nicht schon genug gewesen wäre, verspätete Sebastian sich und musste feststellen, dass Juliet bereits mit Gray tanzte. Danach mit Bancroft. Dann mit dem Duke of Essex. Und jetzt tanzte sie einen Walzer, der allgemein noch immer als recht gewagt angesehen wurde − ausgerechnet mit diesem Wynter!
Sebastian fand, der Kerl hielt sie viel zu dicht an sich gepresst, und seine Unterhaltung hatte ihr aus irgendeinem Grund die Röte in die Wangen getrieben. Was hatte er zu ihr gesagt? Zum Teufel mit dem Mann! Nur mühsam hielt Sebastian seinen Zorn im Zaum.
In ihrer elfenbeinfarbenen Seidenrobe, der einzige Schmuck jene Perlenstränge im Haar, sah sie aus wie ein wunderschöner Schwan inmitten einer Schar aufgetakelter Pfauen. Die anderen Damen trugen alle sehr viel lebhaftere Farben, wie sie zurzeit Mode waren, und schmückten ihr Haar mit riesigen Federn.
„Sie geben ein wirklich schönes Paar ab, meinst du nicht auch?“, spottete Dolly, die amüsiert seinem eifersüchtigen Blick folgte.
„Nein, das meine ich nicht! Wenn Sie mich entschuldigen wollen, Lady Bancroft?“ Damit verbeugte er sich knapp, drehte sich auf dem Absatz um und verließ den Raum mit langen Schritten, um sich auf die Suche nach einer kräftigeren ‚Erfrischung‘ zu machen.
Sich wieder dem hemmungslosen Alkoholgenuss hinzugeben war wahrscheinlich keine gute Idee, wie er sich insgeheim eingestand, aber in diesem Moment eine sehr verlockende!
„Hat St Claire Sie in irgendeiner Weise gekränkt?“
Juliet geriet für einen Moment aus dem Takt und bedachte den Duke of Carlyne mit einem verblüfften Blick. „Ich verstehe nicht ganz, Euer Gnaden.“
Ungerührt fuhr er fort, sie auf der Tanzfläche herumzuwirbeln, ein spöttisches Lächeln um die Lippen. „Ich habe gehört, dass Sie mit St Claire einen Bootsausflug machten, als ich ankam.“
„Ja …“
„Allein?“
Juliet kniff die Lippen zusammen. „Daran war nichts Ungehöriges, Euer Gnaden“, verteidigte sie sich heftig, wenn auch nicht sehr wahrheitsgetreu. Schließlich war ihr Benehmen in der Abgeschiedenheit des kleinen Wäldchens über alle Maßen ungehörig gewesen!
„Vielleicht ist das ja der Grund für Ihre Verärgerung“, meinte er neckend.
Heiße Röte stieg ihr in die Wangen. „Euer Gnaden?“
Darius Wynter lachte leise. „Allein in Gesellschaft eines gut aussehenden Herzensbrechers, und dann unternimmt St Claire nicht einmal den Versuch, Sie zu verführen? Wie enttäuschend für Sie!“
In Wirklichkeit hatte Sebastian keinen ‚Versuch‘ nötig gehabt, musste Juliet sich voller Scham eingestehen. Sie hatte sich schon mehrere Male verführen lassen, und zwar sehr bereitwillig!
„Sie reden Unsinn, Euer Gnaden“, sagte sie trotzdem vorwurfsvoll.
„Wirklich?“
Juliet sah ihn verärgert an. „Ich bin eine fast einunddreißigjährige Witwe, Euer Gnaden, und habe kein Interesse daran, mich von einem jungen Mann wie Lord St Claire verführen zu lassen.“
„Nein?“
„Nein!“
„Dann können Sie mir vielleicht erklären, warum Sie seit etwa einer Stunde jede Bewegung St Claires verfolgen?“
Wieder stolperte Juliet, doch dieses Mal versuchte sie nicht, den Fehltritt zu überspielen, sondern blieb mitten auf der Tanzfläche stehen. Der Duke hatte recht. So wütend sie auch auf Sebastian war und sosehr sie wünschte, sie könnte ihn einfach ignorieren, es gelang ihr einfach nicht.
„Sie ziehen die Aufmerksamkeit auf uns, Lady Boyd“, informierte sie Darius Wynter gut gelaunt.
„Ich habe Kopfschmerzen, Euer Gnaden. Ein wenig frische Luft wäre vielleicht das Beste. Wenn Sie mich entschuldigen wollen …“
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