Historical Platin Band 04
d’Anjou, zu verwinden.
Roger sah ihrem Gesicht an, was in ihr vorging, und stellte verblüfft fest, dass sie offenkundig mehr zu bieten hatte denn nur ein reiches Wittum. Ihre Augen hatten einen wachen, scharfsinnigen Ausdruck, wenngleich sie reichlich häufig die Lider senkte. Sie war auch von bemerkenswert schöner Gestalt, und unwillkürlich reute es Roger, dass er sie nicht geraubt und sich näher mit ihr befasst hatte.
„Ihr würdet mir eine große Ehre bekunden, Madame“, sagte er ernst und legte ihr sacht die Hand auf den Arm, „so Ihr mir gestattet, Euch das Leben bei Hofe angenehmer zu gestalten oder Euch in anderer von Euch gewünschter Weise behilflich zu sein.“
„Ich danke Euch, Sieur“, erwiderte Mellisynt höflich und rückte ein wenig von ihm ab. Es geziemte sich nicht, sich von ihm berühren zu lassen. Hätte sie das zu Lebzeiten des ersten Gemahls einem anderen Mann gestattet, wäre sie schwer gezüchtigt worden. „Ich entbiete Euch meinen Gruß, Messire Beauchamps“, fuhr sie ruhig fort, wandte sich ab und mischte sich unter die Höflinge.
Hinfort hielt Mellisynt sich im Hintergrund. Es behagte ihr nicht, sich in die Schar der galanten Edelleute einzureihen, da sie sich unsicher und im Umgang mit den leichtfertigen Damen und Herren bei Hofe nicht versiert genug fühlte. Es genügte ihr, sich im Fenstersitz niederzulassen, das Treiben zu beobachten und den Gesprächen zu lauschen. Hin und wieder gesellte der Sieur de Beauchamps sich zu ihr und unterhielt sie mit boshaften Bemerkungen über die Anwesenden, die sie erheiterten.
Nach einigen Tagen fand sie die Vorstellung, sich von einem Edlen umwerben zu lassen, als längst nicht mehr so bestürzend wie zuvor. Dennoch zuckte sie, auch wenn sie die Damen über ihre Verehrer seufzen und den Troubadour von edler Minne singen hörte, vor dem Gedanken zurück, das Ehegelöbnis zu brechen.
Die Fürstin bewies ihr großes Wohlwollen. Oft befand sie sich im Kreis ihrer Ratgeber, mitunter indes war sie unpässlich, da sie vor der Geburt des ersten Kindes stand. Mellisynt neidete ihr, gesegneten Leibes zu sein, und hoffte inständig, auch sie möge bald guter Hoffnung werden.
Mit der Zeit stellte sie jedoch erstaunt fest, dass sie zunehmend weniger daran gedacht hatte, ein Kind ihr Eigen zu nennen, und in Gedanken weitaus mehr mit den Freuden des Beilagers befasst war. Bestürzt ermahnte sie sich, die unzüchtigen Bilder zu verdrängen und nicht mehr in Erinnerungen zu schwelgen, wie leidenschaftlich der Gatte sie genommen und ihr die höchsten Wonnen verschafft hatte.
Eines Morgens wurde sie durch lautes Rufen vor der Kammertür aufgeschreckt und fragte erschrocken, was es gebe. Colet antwortete ihr, der Herr werde an diesem Tage heimkehren. Hastig schwang sie sich vom Lager. Sie warf sich einen Umhang um die Schultern, eilte zur Pforte und öffnete sie.
Colet verbeugte sich und sagte atemlos: „Pardon, Madame, doch ein Kurier ist soeben eingetroffen, der Wort brachte, der Sieur de Brissac habe sich nach anfänglichem Widerstand ergeben und seine älteste Tochter als Geisel ausgeliefert.“
„Wisst Ihr, ob mein Gatte unbeschadet ist?“, erkundigte Mellisynt sich eifrig.
„Nein, Madame“, antwortete er bedauernd. „Über ihn hat der Bote sich nicht geäußert. Doch er kann nicht schwer verwundet sein, da er sonst wohl nicht zu Ross sitzen würde.“
Mellisynt dankte dem Pagen, ließ von ihm ein Kammerweib herbeirufen und schloss die Tür. Sobald die Dienerin bei ihr war, machte sie Morgentoilette, ließ sich gewanden und das Haar richten.
Voller Vorfreude schaute sie der Ankunft des Gemahls entgegen, bangte jedoch gleichzeitig um sein Befinden. Die Möglichkeit, dass er doch ernsthaft verletzt war, beunruhigte sie zutiefst. Anderseits zieh sie sich töricht, weil er ein gestandener und erfahrener Recke war, der bei einem Angriff auf eine Burg selbstverständlich nicht untätig bleiben, sich jedoch nicht mutwillig in Gefahr begeben würde.
6. KAPITEL
Am frühen Nachmittag kündigten Herolde das Eintreffen des Heerzuges im inneren Burghof an. Im Gefolge der Herzogin begab Mellisynt sich mit den anderen Würdenträgern hinaus, um den Statthalter und die Hauptleute willkommen zu heißen.
„Danket Gott, Messire d’Edgemoor, Messieurs, dass Er Euch eine sichere Heimkehr gewährt hat“, sagte Constance lächelnd. „Ich bin erleichtert, dass die Veste Brissac Euch in die Hände gefallen
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