Historical Platin Band 04
Kastentisch zu stellen, wartete, bis sie mit Micheil wieder allein war, und nahm dann im Fauteuil Platz. Sie faltete die Hände und hoffte, der Neffe möge ihr nicht anmerken, dass sie sich um seine Verlobte ängstigte. Es fiel ihr nicht schwer, sich vorzustellen, warum Seana geflohen war. „Trink Wein und beruhige dich“, sagte sie betont gelassen. „Warum hast du mich nicht von deiner bevorstehenden Ankunft in Kenntnis gesetzt? Wieso hast du deine Schwester zu mir geschickt? Weshalb sind Fiona und Jehanne hier?“
„Ich hatte nicht vor, Deer Convent aufzusuchen“, antwortete er schroff, schenkte sich einen Becher Roten ein und trank einen langen Schluck. „Außerdem habe ich Bridget nicht zu dir entsandt, ganz gleich, was sie dir erzählt haben mag. Und was meine Basen betrifft, so können sie tun und lassen, was ihnen beliebt.“
„Fiona kam her, weil sie bei dir sein wollte.“
„Unterstelle mir nichts, Muhme! Ich habe sie nicht eingeladen und war wütend über ihr unvermutetes Erscheinen.“
„Warum ist dann Bridget hier? In all den vergangenen Sommern hat sie mich nicht aufgesucht. Welchen Anlass hat sie jetzt?“
„Verlang nicht von mir, dass ich ihre Gedanken errate!“, antwortete Micheil barsch, schaute die Gevatterin an und ahnte, was sie dachte. „Du bist überzeugt, dass ich sie an meiner Stelle hergeschickt habe, nicht wahr? Das ist nicht der Fall. Und versuche nicht, mich vom Grund für dieses Gespräch abzulenken. Bist du sicher, dass du alle deine Untergebenen befragt hast? Weiß wirklich niemand, wann Seana verschwunden ist?“
„Du hast gehört, was meine Schwestern in Christo und das Dienstvolk gesagt haben. Außerdem weißt du, was sie mit sich genommen hat. Sie hat nur wenig Atzung und ihre geringen Habseligkeiten bei sich, nicht einmal eine Waffe, um sich verteidigen zu können.“
Micheil stellte den Becher so heftig ab, dass der Wein über den Rand schwappte und auf den Tisch spritzte. „Ihr durften keine Freiheiten gewährt werden!“, brauste er auf. „Hattest du das nicht begriffen? Ich dachte, dass ich dir das nach ihrem ersten Fluchtversuch klar genug gemacht hätte.“
„Hättest du mich früher wissen lassen, dass du sie zum Grab ihrer Mutter bringen willst, wäre ich …“
„Das ist jetzt nicht mehr von Belang!“, fiel Micheil der Muhme aufgebracht ins Wort.
Wenn Ailis sich über jemanden so ärgerte wie nun über ihn, konnte sie ebenso hitzig reagieren. Sie stand kurz davor, die Beherrschung zu verlieren. Es empörte sie, dass er nicht mehr zu wissen schien, wen er vor sich hatte. Ergrimmt schaute sie ihn an und erwiderte gezwungen ruhig: „Ich habe Seana jahrelang zu meinem Bedauern verwahren müssen. Sie ist ein liebes, nettes und sehr umgängliches Mädchen. Irgendetwas muss sie so erschreckt haben, dass sie noch einmal geflohen ist. Und du würdest ihr nur Todesangst einjagen, könnte sie dich jetzt sehen.“
„Todesangst?“, wiederholte Micheil grimmig. „Nichts liegt mir ferner als das! Indes habe ich schon genug Zeit vergeudet.“ Brüsk drehte er sich um, und im Sonnenlicht blitzte der Knauf seines Schwertes auf.
Ailis erhob sich, stellte sich neben den Neffen und sagte bittend: „Finde Seana, Micheil, aber sei rücksichtsvoll zu ihr.“
„Rücksichtsvoll? Das verlangst du von mir? Gestern hat David einige MacSinclairs auf der Kirmes gesehen. Weißt du, was es bedeutet, wenn sie Seana vor mir entdecken?“
„Es besteht doch ein Waffenstillstand.“
„Er hielt nur so lange an, wie die Wäsche zum Trocknen brauchte“, erwiderte Micheil hart. „Danach haben sie unsere Ländereien wieder überfallen. So sie Seana in ihre Gewalt zu bringen vermögen, wird sie von ihnen zu den MacKeith’ gebracht und als Druckmittel gegen mich verwendet.“
„Bei allen Heiligen! Dann überlass sie ihnen doch! Du musst sie doch nicht …“ Der feindselige Blick des Neffen ließ Ailis innehalten. Nach einem Moment fuhr sie erbittert fort: „Ingram hat ein schändliches Ansinnen an mich gerichtet! Sie ist doch noch so jung! Du hingegen willst sie den Zorn eines Mannes spüren lassen.“
„Du trittst sehr für jemanden ein, deren Bruder meine Schwester verunstaltet hat!“
„Nur Liam hat dafür zu büßen!“
„Er ist für sein Vergehen bestraft worden“, sagte Micheil und entfernte sich einige Schritte von der Muhme. „Du weißt von den in den verflossenen Sommern gegen ihn und seine Leute unternommenen Raubzügen. Mittlerweile hat er Angst, ohne
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