Historical Platin Band 04
würden sie selbst von einem geschützten Feuer angelockt“, erklärte Micheil. „Da du keine Decke mehr hast, kannst du mein Plaid mit mir teilen.“
Das Frösteln, das Seana überlief, war nicht auf die Nachtkühle zurückzuführen. „Warum tut Ihr das alles für mich?“, fragte sie leise. „Ihr gefährdet Euer Leben, um mir zu helfen.“ Er antwortete nicht, und nach einer Weile konnte sie sein Schweigen nicht mehr ertragen. „Warum?“, wiederholte sie.
„Das habe ich dir bereits erklärt. Du hast mich von dem Augenblick an, da ich dich zum ersten Male sah, bezaubert. Komm“, fuhr Micheil fort, stand auf und entfaltete das Plaid. „Wenn wir, sobald der Tag graut, fortreiten wollen, wird es jetzt Zeit zum Schlafengehen. Ich gebe zu, dass ich mich wohler fühlen werde, wenn wir hier verschwunden sind.“
Seana beäugte die weiche Decke und dachte an die Küsse, die sie mit James getauscht hatte. Irgendwo in der Dunkelheit bellte ein Fuchs. Seana wusste, ihr blieb nichts anderes übrig, als die Aufforderung ihres Retters zu befolgen. Geschwächt von der Flucht und der Verletzung, konnte sie nicht hoffen, ihm im Verlauf der Nacht zu entkommen.
Da ihm klar war, dass sie keine andere Wahl hatte, als sich ihm zu fügen, harrte er geduldig auf sie. Er legte das Plaid auf die Erde, half Seana, sich hinzulegen, und deckte sie zu. Dann streckte er sich mit dem Rücken zu ihr neben ihr aus, bis er sie gleichmäßig atmen hörte, drehte sich um und nahm sie in die Arme. Er war sicher, der Hengst würde ihn durch sein Verhalten warnen, falls jemand sich dem Lager näherte.
Wohlig seufzend schmiegte Seana sich an James.
Besitzergreifend und verlangend schob er die Finger in ihr Haar, fand sich damit ab, dass er sie vorläufig nicht besitzen konnte, und schloss müde die Augen.
Seana wurde von einem Nachtmar heimgesucht. Sie kämpfte, um freizukommen. Sie schlug nach etwas aus, das sie festhielt. Sie konnte nicht atmen, denn ein schweres Gewicht lastete ihr auf der Brust. Verstört schrie sie auf. Überall waren Gesichter. Sie hörte Lärm. Ein Schrei war besonders deutlich zu vernehmen, der eines Weibes. Es war ein Schrei der Verzweiflung, und der Frau stand das Entsetzen im Gesicht. Arme streckten sich nach Seana aus, die sie ergreifen wollte, da sie hoffte, von ihnen vor dem Dräuenden gerettet zu werden. Ächzend hörte sie das Blut in den Ohren dröhnen. Sie klammerte sich an etwas, das warm und hart war. Das Gesicht verschwamm. Alle Gesichter verloren sich in der Dunkelheit. Sie war allein und ängstigte sich. Niemand hatte ihre Hilferufe vernommen. Sie warf den Kopf hin und her. Tränen rannen ihr aus den Augen. Alle Hoffnung war geschwunden. Sie würde nie frei sein.
Leise, besänftigende Worte, die ihr zugeraunt wurden, beruhigten sie. Die sie umgebende Wärme nahm ihr das Frösteln, und die Ausdünstungen von Leder und Wein, eines Pferdes und eines Mannes, waren tröstlich. Nun, da der Albtraum vorüber war, konnte sie sich entspannen.
Seufzend regte sie sich, als Micheil ihr die Tränen von den Wangen küsste. Dann schmiegte er ihren Kopf an seine Schulter. Er konnte nicht schlafen. Noch immer hörte er sie nach der Mutter schreien. Schuldgefühle plagten ihn. Er hatte nicht an dem Überfall teilgenommen, bei dem sie den Eltern entrissen worden war. Hier, wo kein Mitglied seiner Sippe seine Schwäche sehen konnte, hielt er die Feindin seines Clans die Nacht hindurch sicher in den Armen geborgen.
Tief im Schatten der äußeren Schule stehend, wurde Borve durch den schlecht nachgemachten Schrei eines Käuzchens aufmerksam. Eine kleinwüchsige, schmale Gestalt näherte sich dem Gebäude. Er zog die Kapuze tiefer ins Gesicht und lächelte erwartungsvoll. „Seid Ihr es?“, rief er leise und starrte angestrengt in die Finsternis. Er hatte die ganze Nacht gebraucht, um die Nachricht zu überbringen und die ihm dafür versprochenen fünf Silberpfennige einzustreichen. Gewiss, im Kloster wurde er gut verköstigt, doch er verdiente sich ein Zubrot, indem er reichen Gästen des Konvents gefällig war. Er hörte Münzen klirren, verließ sein Versteck und sagte, während er die Hand ausstreckte: „Gebt mir das Geld.“
„Ist es geschehen?“
Die Stimme hatte so undeutlich geklungen, dass er nicht beurteilen konnte, ob er die Kunde einem Mann oder einem Weib mitteilte. Er wollte durch die Preisgabe der Wahrheit die Belohnung nicht aufs Spiel setzen, mochte indes auch nicht lügen, da man ihn sonst
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