Historical Platin Band 04
Schneetreiben nahm kein Ende. Kunde von außerhalb zu erhalten war nicht möglich, da die Wege unpassierbar waren. Streitigkeiten brachen aus, manchmal über die nichtigsten Anlässe. Die Meierin hatte die größte Mühe, abwechslungsreiche Mahlzeiten auf die Tafel zu bringen. Micheil beobachtete seine Umgebung und wartete auf die Schneeschmelze.
Nachdem Seana dem Bruder gestanden hatte, dass sie von Micheil empfangen hatte, blieb das Verhältnis zwischen ihr und Maille gespannt. Durch den Schnee war man von der Außenwelt abgeschnitten.
Liam hatte nicht das Herz, die Schwester zu strafen. Master Siwards Verletzungen heilten ebenso wie die seines Vetters Calum MacAlret. Liam scherzte oft darüber, die Hochländer hätten das beste Heilfleisch. Dann kicherte Ethwinn und erzählte jedem, es sei das für das Bier benutzte gute Wasser, das den Männern die notwendige Widerstandskraft verlieh.
Seana saß beim Feuer, stets mit der Anfertigung von Sachen für das sie heftig tretende Kind beschäftigt. Manchmal drängte der Bruder sie, die Arbeit zu unterbrechen und etwas auf der Harfe vorzutragen. Seit der Barde ums Leben gekommen war, hatte das Instrument unbenutzt in der Ecke gestanden. Niemand hatte zu äußern gewagt, es sei die Pflicht des Laird gewesen, einen neuen Harfner zu beschäftigen.
Seana holte die Laute, setzte sich vor den Kamin und begleitete sich und den Bruder. Hatte man einige Weisen vorgetragen, wollte Maille sich im Tanz drehen. Liam entsprach ihrer Bitte, doch diese Lustbarkeiten unterschieden sich sehr von den Gastereien, die einst in dieser Halle stattgefunden hatten.
Seana bemühte sich nach Kräften, fröhlich zu sein, da Ethwinn ihr berichtet hatte, es habe Weiber gegeben, die zu viel gegrübelt und dann ein Ungeheuer in die Welt gesetzt hätten. Das Kind schien sie all ihrer Kraft zu berauben. Sie verspürte stets großen Hunger und nahm sich die besten Stücke vom Fleisch, auch wenn die Buhle ihres Bruders sie mit vorwurfsvollen Blicken bedachte. Master Calum schenkte ihr eine Wiege, und vom Bruder bekam sie ein Lammfell, damit das Kind weich liegen konnte. Es sei ein Knabe, behauptete die alte Magd, den Seana unter dem Herzen trage. Abends, wenn sie sich auf dem Lager ausstreckte und mit dem gefütterten Plaid bedeckte, sehnte sie sich danach, die Schmerzen im Rücken mögen endlich schwinden, und wünschte sich, Micheil könne erfahren, dass sie bald von seinem Spross genesen werde.
Nur einmal träumte sie noch von ihrer Flucht aus Halberry Castle und begriff morgens, dass sie nicht ein Bündel, sondern ihren Sohn an die Brust gedrückt hatte. Er sah Micheil ähnlich, sodass niemand in Abrede stellen konnte, wer ihn gezeugt hatte.
Die Sonnenwende setzte ein; der Jahresabend wurde begangen, und die Rauchnacht verstrich.
In vielen Vesten wurden die Waffen aus den Kammern geholt und von den Schwertfegern entfettet, gereinigt und geschliffen. Sobald die Schneeschmelze eingesetzt hatte und das erste Grün sich zeigte, würden sie, um der Rache Genüge zu tun, wieder zum Einsatz kommen.
Maille ärgerte sich über jede Aufgabe, die ihr von der alten Ethwinn übertragen wurde. Seana hielt sich viel in der Kemenate auf, da Ethwinn erklärt hatte, die Zeit der Niederkunft stehe bevor. Maille wünschte sich, die Herrin möge bald kreißen. In der letzten Zeit war ihr aufgefallen, dass der Laird ihr mehr und mehr seine Gunst entzog. Bei dem Gedanken, was sie vorhatte, noch dazu vor den Augen des Herrn und dessen Schwester, lächelte sie boshaft.
„Weshalb grinst du so selbstgefällig?“, wunderte sich Ethwinn. In der Annahme, ihr Sehvermögen lasse nach, blinzelte sie und schüttelte den Kopf. Die Magd hatte sich einen Mantel angezogen, hörte jäh zu lächeln auf und machte ein verlegenes Gesicht. „Hast du getan, was ich dir aufgetragen habe?“
„Ja“, antwortete Maille mürrisch. „Und jetzt habe ich etwas für mich zu erledigen.“
„Für dich?“, rief Ethwinn ihr hinterher. „Kümmere dich um die Bedürfnisse des Herrn, denn sonst musst du dir ein anderes Nachtlager suchen.“
Maille drehte sich kurz um, streckte der Alten die Zunge heraus und verwünschte sie. Sorgfältig darauf achtend, nicht beobachtet zu werden, strebte sie zur Hinterpforte. Dank des Schlüssels, den sie heimlich an sich genommen hatte, konnte sie das Schloss aufsperren. Heimlich verließ sie die Veste und hastete die in die Felsen gehauenen Stufen hinunter. Durch die Klippen und das Gehölz der Sicht vom
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