Historical Platin Band 04
er fortan die bösesten Ränke gegen alle anderen Götter.
Während der Skalde sein langes Gedicht vortrug, warfen Svend und die anderen Männer verstohlene Blicke zu Einar und Ull hinüber, und alle fragten sich, ob Meradyce’ abgeschnittenes Haar zu einem ähnlichen Zerwürfnis zwischen den Dorfbewohnern führen würde, wie es in der Geschichte zwischen den Göttern geschehen war. Einar jedoch starrte nur finster ins Leere, und Ull soff wie ein Loch.
Einar versuchte sich zu überlegen, wie er Meradyce’ Herausforderung begegnen sollte, denn eine solche war es fraglos. Schon seit Langem war er davon überzeugt, dass keine Frau einen Kampf wert war. Allerdings hatte ihn ihr Vorgehen erzürnt, nachdem die erste Verblüffung verflogen war. Es war töricht, ihn zu erzürnen, und es war gefährlich, Ull zu erzürnen. Was also hatte sie sich bei ihrem Auftritt gedacht?
Endlich schlief Ull ein, und sein Kopf sank ihm auf die Brust. Einar stand auf, nickte Svend zu und verließ die Halle, wobei er sich bewusst war, dass ihm alle Blicke folgten.
Die Nacht war nasskalt, und eine frische Brise wehte aus Nord. Einar konnte das Salz in dem Seewind schmecken, und er wünschte, er könnte sich auf eine lange Schiffsreise begeben, gleichgültig wohin.
Als er in sein Haus trat, stockte ihm der Schritt. Da stand die Sachsenfrau, die sich jetzt zu ihm herumdrehte. Sie trug ein einfaches Gewand und hielt das prächtige blaue in den Händen. „Ich bin gekommen, um es dir zurückzugeben“, sagte sie, ohne ihn dabei anzuschauen.
Er machte einen Schritt auf sie zu. „Weshalb hast du das getan?“
Sie hob den Kopf, und er erkannte sofort, dass sie nichts bereute. „Meinst du, dies wäre das erste Mal, dass ich für meine Schönheit bestraft werde?“
Dieser Gedanke war ihm noch nicht gekommen.
„Ich bin diese Ungerechtigkeit satt. Dieses Flüstern, diese eifersüchtigen Blicke, diese Gerüchte. Und ich bin der Männer müde, die mich behandeln, als wäre ich ein Schmuckstück oder ein Stück teuren Stoffs.“
„Und das ist deine Art, Rache zu nehmen?“ Sie brauchte ihm gar nicht zu antworten; er wusste auch so, dass es sich nicht anders verhielt. Und er wusste, wie ihr zumute war. Er hatte ja auch die Eifersucht in den Augen der Männer erkannt, jener Männer, die glaubten, Svend begünstige ihn nur, weil er der Sohn des Häuptlings war. Männer wie Ull …
„Zum Teil“, antwortete sie, wandte sich ab und legte das Gewand auf eine der Truhen.
„Und der andere Teil?“
Sie drehte sich zu ihm um und blickte ihm ins Gesicht. „Wie will ein Wikinger sterben?“
„Im Kampf.“
„Weshalb?“
„Weil ihm nur dann Eintritt in Walhall gewährt wird, wo er mit den Göttern an einer Tafel sitzen darf.“
Meradyce nickte langsam. „Um selbst in der Niederlage noch zu siegen.“
So hatte Einar es noch nicht gesehen. Zum ersten Mal, seit er ihr begegnet war, erkannte er jetzt den Ausdruck der Niederlage in ihren Augen.
„Ich kann nicht mehr kämpfen“, sagte sie leise. „Ich kann nicht siegen. Ich hatte gehofft …“ Sie wandte den Blick ab und seufzte tief, ehe sie Einar wieder anblickte und die Schultern straffte. „Es gibt einen Teil in meinem Inneren, den kein Mann je zu berühren vermag, doch wenn ich eine Ehe nicht umgehen kann, dann will ich die Wahl haben. Ich will in meiner Niederlage wenigstens diesen kleinen Sieg erringen, wenn ich schon nicht auf Besseres hoffen darf.“
Er trat näher an sie heran. „Ich glaube nicht, dass du geschlagen bist. Was du heute Abend getan hast, war nicht die Handlungsweise eines besiegten Feindes, sondern die eines Kriegers.“
Zu ihrer Freude und Erleichterung sah Meradyce Einar die Aufrichtigkeit und die Bewunderung an. Nachdem sie Svends Halle verlassen hatte, wusste sie selbst nicht, was über sie gekommen war, dass sie die Kühnheit besessen hatte, ihren Zorn in eine solche Aktion zu verwandeln. So etwas hatte sie in ihrem ganzen Leben noch nie zuvor getan.
Sie hatte sich gesagt, es sei einfach nur ihr Bestreben gewesen, diesen Frauen zu zeigen, dass sie sie nicht zu demütigen vermochten; sie hatte schließlich nichts verbrochen, dessen sie sich schämen müsste. Jetzt jedoch, da Einar sie so anschaute, wusste sie, weshalb sie es in Wirklichkeit getan hatte: Sie begehrte ihn, wie sie noch nie einen Mann begehrt hatte. Sie begehrte ihn auf eine Weise, die dem körperlichen Hunger sehr ähnlich war.
Was sie über den unberührbaren Teil ihres Inneren gesagt hatte,
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