Historical Saison Band 08
zusammenzog. Seine Nähe machte sie nervös. Er trat noch näher an ihr Bett, sodass sie hochblicken musste, um sein Gesicht zu erkennen. Er trug einen schwarzen Hausmantel aus Atlasseide, der mit einem silbernen Muster bestickt war, das sie an Chinoiserie-Mode erinnerte. Der V-Ausschnitt des Mantels gab den Blick auf einen Teil eines schneeweißen Hemdes frei. Ein Stück eleganter schwarzer Pantalons war unterhalb des Saums des Hausmantels zu sehen, ebenso wie glänzend schwarze Schuhe. Abgesehen von seinem Bart entsprach seine Aufmachung den höchsten modischen Ansprüchen.
Sie runzelte die Stirn. Seltsamerweise wusste sie, dass er modisch gekleidet war, obwohl sie weder ihren Namen noch ihre Herkunft oder ihr Reiseziel nennen konnte.
Der Mann – die Haushälterin hatte gesagt es handelte sich um Guy William Chillings, den siebten Viscount Chillings – zog einen niedrigen Stuhl, der mit blauem Samt bezogen war, an das Bett. Die fließende Bewegung, mit der er sich setzte, ließ auf einen Mann schließen, der sich in seinem Körper wohlfühlte. Ein heißer Schauer lief ihr den Rücken hinunter.
Viscount Chillings beugte sich vor. „Haben Sie sich an etwas erinnern können?“
Er hatte eine tiefe Baritonstimme, die gut zu ihm passte.
„Nein“, antwortete sie gequält.
„Nein“, wiederholte er. Seine Stimme klang so zärtlich, dass es sich beinahe wie ein Kosewort anhörte.
Sie schüttelte den Kopf, auch um ihrer blühenden Fantasie Einhalt zu gebieten. Seine Stimme hatte eine ungewöhnliche Wirkung auf sie, ließ sie an Dinge denken, die besser ungesagt und ungetan blieben. Als sie sich wieder besser unter Kontrolle hatte, erklärte sie: „Ich erinnere mich an nichts, wirklich, Lord Chillings.“
„Das ist in der Tat bedauerlich. Ich hatte gehofft, Sie wären inzwischen ganz wiederhergestellt.“ Er blickte sie durchdringend an und streckte seine Hand aus. „Vielleicht hilft Ihnen das.“
Gold funkelte ihr im Schein der Kerze entgegen. Ein Ehering lag auf seiner rechten Handfläche. Eine halbe Ewigkeit starrte sie den Ring an. Er hielt ihn ihr hin, als ob er wollte, dass sie ihn an sich nahm. Doch sie wollte ihn nicht. Sie verspürte eine unerklärliche Abneigung gegen den Ring.
Sie blickte ihr Gegenüber an. Falls er ihr Zögern registriert hatte, ließ er sich zumindest nichts anmerken.
„Nehmen Sie ihn“, forderte er sie im Befehlston auf.
Sie griff nach dem Ring, ließ die Hand jedoch wieder sinken, bevor sie ihn berührte. „Woher haben Sie ihn, Mylord?“
Er lehnte sich zurück und legte lässig ein Bein über das andere. Sie ärgerte sich ein wenig darüber, denn er verhielt sich, als ob sie gerade über das Wetter redeten und nicht über die größte Katastrophe ihres Lebens.
„Aus Ihrem Köfferchen.“
Aus ihrer leichten Verärgerung wurde Zorn. Daran änderte auch die unglaubliche Anziehungskraft nichts, die er auf sie ausübte.
„Sie haben ohne meine Erlaubnis meine Sachen durchsucht?“
Ohne sie aus den Augen zu lassen, warf er den Ring in die Luft und fing ihn wieder auf. „Da Sie schliefen, konnten Sie mir Ihre Einwilligung nicht geben.“ Bevor sie protestieren konnte, fügte er hinzu: „Ich tue nur, was ich tun muss. Schließlich weiß niemand, wer Sie sind oder woher Sie kommen.“
„Das gibt Ihnen noch lange nicht das Recht, mein Gepäck zu durchsuchen.“
„Meine Position gibt mir das Recht dazu.“
Diese Erklärung minderte den Ärger über sein Verhalten in keiner Weise. Egal wie er es auslegte, er besaß kein Recht, ihre Privatsphäre zu verletzen.
„Die Intimsphäre Ihrer Gäste mit Füßen zu treten?“
Er zuckte mit den Schultern. „Es ist nicht so, dass Sie hierher eingeladen wurden.“
„Das ist noch lange kein Grund …“
„Genug.“ Er beugte sich vor und wollte ihr den Ring in die Hand drücken. „Nehmen Sie ihn. Das Letzte, was ich im Augenblick gebrauchen kann, ist ein ungebetener weiblicher Gast in meinem Haus, den keine Anstandsdame begleitet. Dennoch sind Sie hier.“
Anstatt den Ring entgegenzunehmen, sah sie ihm fest in die Augen. „Wenn ich eine solche Last darstelle, hätten Sie mich besser überhaupt nicht aufgenommen.“
Er lächelte ein wenig frostig. „Wenn ich eine Frau bewusstlos mitten auf der Straße finde und es schneit, lasse ich sie nicht einfach liegen, sodass sie erfriert.“
„Dafür scheinen Sie Ihr Handeln aber schon sehr zu bereuen.“
Er schaute sie mit ernster Miene an und ließ den Ring auf das Bett
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