Historical Saison Band 12
verschlossen. Ärgerlich, aber davon würde sie sich nicht aufhalten lassen. Sie ging zu dem Tisch am Fenster und entdeckte den Schlüssel in der schmalen Schale neben dem Spiegel. Rasch nahm sie ihn an sich und öffnete mit zitternden Fingern den Sekretär. Wahllos griff sie sich eine der Mappen aus dem Mittelfach, schlug sie auf und stöberte hastig durch die Papiere …
„Suchst du nach Liebesbriefen? Du wirst keine finden.“ Lexi erstarrte. Die Stimme gehörte Richard.
Richard war erst vor wenigen Minuten vom Pfarrhaus zurückgekommen. Mr Harmond hatte ihn keineswegs wegen des Glockenturms sprechen wollen, sondern um einen Rat gebeten. Sein Enkel, ein Soldat, hatte gegen die Vorschriften verstoßen und nun großen Ärger mit seinen vorgesetzten Offizieren. Der Pfarrer war darüber sehr bekümmert und hatte sich erst beruhigen lassen, als Richard ihm versprach, alles zu tun, was in seiner Macht stand, um die Angelegenheit zu klären.
Auf dem Heimweg fühlte sich Richard müde und ausgelaugt. Er hatte gehofft, dass ihn der erlesene Wein, den Mr Harmond ihm kredenzt hatte, aufheitern würde. Doch dem war nicht so. Niedergeschlagen fragte er sich, warum das Schicksal ihm nichts weiter als Probleme bescherte. Am meisten bekümmerte ihn, dass seine Ehe mit Alexandra nicht gerade glücklich verlief. Warum zum Teufel konnte sie ihm nicht einfach vertrauen? Wenn sie die Wahrheit kannte, würde das ihren Kummer nur vergrößern. Warum konnte sie die Sache nicht einfach auf sich beruhen lassen? Bei dem Gedanken an sie umspielte ein Lächeln seine Lippen. Er kannte die Antwort auf diese Frage. Weil es nicht ihrem Charakter entsprach, deshalb! In all den Jahren ihrer Freundschaft war sie vor Schwierigkeiten nie zurückgeschreckt. Sie hatte sich immer ein eigenes Urteil gebildet und für das gekämpft, an das sie glaubte. Und genau dafür liebte er sie.
Überglücklich war er gewesen, als sie ihn am Abend wieder beim Vornamen genannt hatte, voller Hoffnung, dass sie ihre Zwistigkeiten beilegen könnten. Indes war seine Hoffnung gleich wieder gestorben, als sie ihm ihren Vorschlag unterbreitete. Glaubte sie wirklich, ihm sei ein Erbe für Channings so wichtig, dass er sogar bereit wäre, eine solche Farce einer Ehe zu führen?
Aber genau genommen … hätte sie ihm etwas anderes anbieten können als eine Zweckehe? Da sie von seiner Schuld überzeugt war, wie konnte sie ihn da leidenschaftlich lieben, aus tiefstem Herzen, so wie er es sich wünschte? Vielleicht hatte er einfach zu hohe Erwartungen an sie gestellt. Das perfekte Glück gab es für ihn nicht, so viel sollte ihm inzwischen klar sein.
Bei seiner Rückkehr lag das Haus im Dunklen. Die Dienstboten hatten sich bereits auf ihre Zimmer begeben. Leise ging er die Stufen hinauf, sich fragend, ob er Alexandras Angebot zu voreilig abgelehnt hatte. Es war nicht die Art von Ehe, die er sich wünschte, aber wenn kein Wunder geschah, wäre es wohl die einzige Art von Ehe, die er mit ihr führen konnte. Niemals würde er ihr aus freien Stücken erzählen, was am Abend von Johnnys Tod tatsächlich geschehen war. Nicht einmal auf die Gefahr hin, sie dadurch zu verlieren.
Darauf bedacht, so wenig Lärm wie möglich zu machen, betrat er sein Ankleidezimmer durch die Tür im Flur. Er wollte Alexandra nicht wecken, da ihm im Moment nicht der Sinn nach weiteren Gesprächen über ihren Bruder stand. Rasch schlüpfte er aus den Stiefeln, streifte den Gehrock von den Schultern und legte das Krawattentuch ab. Er war gerade dabei, sein Hemd zu öffnen, als er ein Geräusch in seinem Schlafgemach vernahm. Angestrengt lauschte er. Jemand war dort drinnen, aber sein Kammerdiener konnte es nicht sein. Er hatte Phillips angewiesen, nicht auf ihn zu warten. Leise ging er zur Tür, öffnete sie einen Spalt und lugte ins Zimmer. Alexandra stand am Schreibtisch und war so vertieft in etwas, dass sie ihn nicht bemerkte. Während er ihr zusah, wie sie durch die Mappe in ihrer Hand blätterte, spürte er Begehren in sich aufsteigen. Sie war so wunderschön. Ihr Haar floss wie ein glänzender kupferner Wasserfall über ihre Schultern. Der durchscheinende Morgenmantel umschmeichelte ihre schlanke Figur und die langen Beine.
Scharf sog er den Atem ein. Was tat seine Gemahlin zu dieser späten Stunde in seinem Schlafgemach? Offensichtlich suchte sie etwas, aber was? Nun, das war ihm im Moment gleich. Im Augenblick konnte er an nichts anderes mehr denken als daran, dass sie außerordentlich
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