Historical Saison Band 12
Es war Lady Deverells Lieblingszimmer. Der selige Lord Deverell hat nach ihrem Dahinscheiden niemanden mehr hineingelassen. Aber Master Richard hat Anweisung gegeben, das Zimmer zu lüften und zu reinigen, falls Sie es benutzen wollen.“
„Das war sehr aufmerksam von ihm.“
„Oh ja, aufmerksam ist er. Und ein hervorragender Gutsherr. Er kümmert sich vorbildlich um uns alle. Wir sind froh, dass er unversehrt aus dem Krieg zurückgekehrt und nun glücklich verheiratet ist. Oh ja! Von jetzt an wird alles besser werden.“ Sie bemerkte Lexis bleiches Gesicht und blickte zerknirscht. „Oje, ich fürchte, ich habe Sie zu lange aufgehalten. Seine Lordschaft hat mich ausdrücklich gebeten, Sie nicht zu überanstrengen, und ich laufe stundenlang mit Ihnen herum. Soll ich Ihnen im Blauen Salon ein Feuer herrichten lassen und die Köchin um einen Imbiss bitten?“
Lexi hatte es enorme Anstrengung gekostet, sich vor Mrs Chowen nicht anmerken zu lassen, dass ihre Ehe mit Richard keineswegs so glücklich war, wie die Haushälterin dachte. Nachdem sie den Imbiss verzehrt hatte, legte sie sich auf die Chaiselongue vor dem großen Fenster und sah hinaus. Sie blickte auf eine Rasenfläche, die sich bis zu einem Wäldchen erstreckte. Majestätisch anmutende Bäume flankierten den Rasen, die im Sommer gewiss angenehmen Schatten spendeten. Jetzt aber waren ihre Äste zum Teil schon kahl, und die herabgefallenen Blätter bildeten einen rot-, braun- und goldfarbenen Teppich im Gras.
Lexi seufzte. Channings war so wunderschön, und sie hatte immer davon geträumt, hier zu leben. Zusammen mit Richard … Die Versuchung, die Vergangenheit zu vergessen, war groß. Nur einen Augenblick lang wollte sie sich ihren Träumen hingeben, stellte sich vor, wie ihre gegenseitige Liebe mit jedem Jahr wuchs. Vor ihrem inneren Auge sah sie, wie sie an lauen Sommerabenden Picknicks auf dem Rasen veranstalteten, hörte förmlich das Gelächter und die Musik. Sie stellte sich auch vor, dass sie Kinder haben würden. Babys, die sie herzen würde, Kleinkinder auf unsicheren Beinen, die von ihrem Vater aufgefangen wurden, bevor sie fielen … Mit einem Lächeln im Gesicht schlief Lexi ein.
Als sie die Augen wieder aufschlug, war es dunkel geworden. Nur der Schein des Feuers erhellte das Zimmer. Sein flackerndes Licht fiel auf den Ohrensessel vor dem Kamin, in dem Richard saß. Allerdings sah sie nur seine ausgestreckten Beine. Der Rest seiner Gestalt wurde von der hohen Lehne des Sessels verborgen.
Immer noch im Bann ihres Traumes stehend rief sie leise: „Richard?“
Erst glaubte sie, er habe sie nicht gehört, denn er regte sich nicht. Sie wollte ihn schon erneut rufen, da stand er unvermittelt auf und setzte sich zu ihr auf die Chaiselongue. „Endlich bist du aufgewacht“, sagte er mit rauer Stimme. „Ich habe schon überlegt, ob ich dich wecken soll. Es ist fast Zeit für das Dinner.“
„Habe ich so fest geschlafen?“
„Du hast dich nicht gerührt, als ich ins Zimmer gekommen bin.“
„Ich habe geträumt.“
„Es müssen angenehme Träume gewesen sein. Du hast gelächelt.“
„Richard …“
„Nun nennst du mich bereits zum zweiten Mal beim Vornamen.“
„Ach ja? Manchmal vergesse ich, dich zu hassen.“
„Hasst du mich tatsächlich, Alexandra?“
„Ich versuche es, aber es fällt mir schwer. Hass ist solch ein zerstörerisches Gefühl. Und die Zukunft scheint mir recht trostlos.“
Das flackernde Kaminfeuer, die Erinnerung an ihren Traum und die Stille, die auf ihre Worte folgte, hatten eine seltsame Wirkung auf sie. Unvermittelt fragte sie sich, ob sie nicht doch eine Möglichkeit finden könnten, eine glückliche Familie zu gründen. Sie atmete tief durch. „Richard, was wenn … Können wir nicht einen Schlussstrich unter die Vergangenheit ziehen und versuchen, eine normale Ehe zu führen? Glaubst du, das ist möglich?“ Angespannt wartete sie auf seine Antwort, wünschte, sie könnte seine Züge erkennen, doch sein Gesicht lag im Schatten. Sein Schweigen hielt länger an, als ihr lieb war.
„Sag, wie kommt es zu diesem plötzlichen Meinungsumschwung?“, fragte er schließlich.
„Ich habe über Lady Honorias Worte nachgedacht. Nicht alle Ehen werden aus Liebe geschlossen. Man kann auch eine Familie gründen, ohne romantische Gefühle füreinander zu hegen. Lady Honoria hat mir zu Recht meine Pflichten vor Augen geführt. Und als ich heute Nachmittag bei der Führung durchs Haus Mrs Chowens Geplauder
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