Historical Saison Band 12
bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommen, und so sollte es bleiben, zumindest so lange, bis seine Unschuld zweifelsfrei erwiesen war.
Sie konnte immer noch nicht fassen, dass Richard, sein bester Freund, sein engster Vertrauter, Johnny wirklich für des Hochverrats fähig hielt. In Wahrheit war Richard der Verräter, denn er hatte ihre Freundschaft verraten. Und ausgerechnet er will sich über mangelndes Vertrauen beklagen? dachte sie aufgebracht. Er zeigt ja selbst kein Vertrauen. Und daran war letztendlich auch ihre Beziehung zerbrochen.
Lexi erschauerte. Eine Woche lang hatte sie ungeahntes Glück erlebt, hatte Richards Leidenschaft und Liebe erfahren. Aber wie groß konnte seine Liebe schon sein, so entschieden, wie er ihren Trost zurückgewiesen hatte, so kühl, wie er sich ihr gegenüber benahm, und so gelassen, wie er ihre Entscheidung hingenommen hatte, die Nacht allein zu verbringen? Nein, vermutlich hatten Lady Honoria und Mark recht mit ihrer Annahme, dass Richard sie nur aus Mitleid geehelicht hatte. Der Graben zwischen ihnen war bereits so tief, dass sie es für fast unmöglich hielt, ihn jemals wieder überbrücken zu können. Und er würde gewiss noch tiefer werden, wenn sie erst einmal ihre Pläne in die Tat umgesetzt hätte.
Richard schenkte sich ein Glas Brandy ein und leerte es in einem Zug. Dann sank er aufs Bett und starrte niedergeschlagen zur Decke. Jahrelang hatte er auf Alexandra gewartet, hatte diesen unerwarteten Albtraum bei der Hochzeit überstanden und die Tage danach, und schließlich hatte sich sein lang ersehnter Traum erfüllt – die Aussicht auf glückliche Jahre in Channings mit der Liebe seines Lebens.
Doch leider hatte dieser Traum nur eine Woche gedauert. Nun tat sich erneut ein unüberwindlicher Abgrund zwischen ihnen auf. Wie konnte sie auch nur einen Augenblick lang glauben, dass er sie aus Pflichtgefühl geheiratet hatte? Warum spürte sie nicht, dass er sie mehr als sein Leben liebte? Immer geliebt hatte. Wieso hatte sie so wenig Vertrauen in ihn, dass eine nachlässige Bemerkung ihres Vetters, den sie kaum mehr als zwei Monate kannte, mehr Gewicht hatte als sein Wort? Dass sie kein Vertrauen in ihn hatte, verletzte ihn sehr.
Und nun stand auch noch Johnny zwischen ihnen. Sie hatte ihn gezwungen, die schlimmsten Momente seines Lebens erneut zu durchleben.
Er konnte die Geschehnisse in der Taverne immer noch deutlich vor sich sehen, immer noch das ungläubige Entsetzen spüren, das ihn beim Anblick von Johnnys Hut ergriffen hatte. Während er zu ihrer Wohnung zurückgeeilt war, hatte er wider jede Vernunft gehofft, dass es sich um ein fürchterliches Missverständnis handelte oder Johnny ihm erklären würde, er habe versucht, den Franzosen in eine Falle zu locken.
Er war den Anblick von Blut gewohnt – welcher Soldat war das nicht? Aber niemals würde er den quälenden Schmerz vergessen, der ihn fast zerrissen hätte, als er Johnny in seinem eigenen Blut liegend auffand.
Stöhnend vergrub er den Kopf im Kissen. Warum war Johnny nicht im Krieg umgekommen? Er hätte es ebenso schwer genommen und ihn ebenso sehr vermisst, doch er hätte immerhin stolz darauf sein können, Johnny Rawdon gekannt zu haben. Aber so … Johnny war ein Verräter gewesen, und sein Verrat zehrte an ihm wie ein Geschwür und warf einen dunklen Schatten über all das, was er einst an seinem Freund bewundert hatte.
Und nun wollte Alexandra die Vergangenheit wieder heraufbeschwören und die Unschuld ihres Bruders beweisen. Ein schier unmögliches Unterfangen.
Hin und her gerissen zwischen seinen widerstreitenden Gefühlen stand Richard auf, schenkte sich ein weiteres Glas ein und setzte sich ans Fenster. Dort blieb er sitzen, bis der Morgen graute. Ein einziger Gedanke kreiste in seinem Kopf: Was zum Teufel soll ich jetzt bloß tun?
Am nächsten Morgen verkündete Richard, dass er bis zum Nachmittag unterwegs sein würde, verriet aber nicht, wohin er wollte, und Lexi fragte auch nicht nach. Seine Abwesenheit kam ihr sehr gelegen. Sie schrieb eine Nachricht an ihre Patin und ließ sie per Eilboten überbringen. Anschließend bat sie Will Osborne, den Einspänner für eine Fahrt nach Dorchester vorzubereiten. Nachdem sie eine kleine Reisetasche gepackt hatte, schrieb sie einen Brief an Richard, versiegelte ihn sorgfältig und verbarg ihn im Deckel ihrer Schmuckschatulle.
Richard hatte sich entschlossen, auszureiten. Die kühle Herbstluft tat seinem schmerzenden Kopf gut, und nachdem er
Weitere Kostenlose Bücher