Historical Saison Band 15
zitterte nicht wegen des Lärms. Viel schlimmer fand sie den bedeutungsvollen Blick, den ihr die unentwegt lächelnde Mrs Silver zuwarf. Dabei zeigte die Frau auf die Kristallkelche, und Arabella erinnerte sich plötzlich, dass sie den Gentlemen Champagner anbieten musste.
Den Inhalt der ersten Flasche hatte Miss Rouge bereits verteilt. Nun entkorkte einer der Männer die zweite und begann Gläser zu füllen. Ich darf nicht einfach reglos dastehen und Dominic anstarren, ermahnte sich Arabella. Wenn sie sich beschäftigte, würde er vielleicht aufhören, sie mit diesen dunklen Augen zu fixieren, die alles zu sehen schienen.
Und so ging sie zu Mrs Silver, ergriff zwei Kelche und versuchte ihre Angst zu bekämpfen. Vielleicht würde eines der anderen Mädchen Dominics Interesse wecken. Aber würde es ihr gefallen, mit anzusehen, wie er mit Miss Rouge oder Miss Vert nach oben ging? Konnte sie kokett lächeln und einem anderen Mann die Treppe hinauf folgen, während er sich hier aufhielt? Unvorstellbar …
Eine Hand berührte ihren Ärmel, und sie wandte sich zu der Besitzerin des Etablissements, die sie warnend und besorgt anschaute.
„Hundert Guineas pro Woche“, wisperte Mrs Silver. „Denken Sie an das Geld.“
Arabella nickte und bot ihre ganze Willenskraft auf, um ihre Gefühle zu zügeln.
Noch ein tiefer Atemzug, dann drehte sie sich um – und sah Dominic direkt vor sich stehen.
„Miss Noir, nehme ich an.“ Langsam schweifte sein Blick über das dünne, fast durchsichtige Kleid und kehrte zu ihrem Gesicht zurück. „Arlesford, zu Ihren Diensten, Ma’am.“
Also erkannte er sie nicht. Gott sei Dank! Leise atmete sie auf und stählte ihre Nerven, um die Rolle einer Frau zu spielen, die sie nicht war.
„Euer Gnaden.“ Höflich knickste sie, aber sie konnte nicht lächeln. Diese Begegnung – allerdings in einer anderen Situation – hatte Arabella zunächst ersehnt und dann gefürchtet. So fest hatte sie geglaubt, er würde ihr nichts mehr bedeuten, sie wäre über ihre Liebe hinweggekommen. Doch das war eine Illusion gewesen.
Voller Wehmut betrachtete sie den Mann, den sie niemals vergessen würde, mochte sie sich auch noch so sehr darum bemühen. Dann wandte sie den Blick ab – sonst würde er den emotionalen Aufruhr womöglich in ihren Augen lesen – und sah sich im Salon um.
Inzwischen hatten sich alle Paare gefunden, die Frauen lächelten und kokettierten. Mrs Silver stand in einer Ecke. Sichtlich verärgert beobachtete sie „Miss Noir“ und wies unauffällig auf die beiden Champagnerkelche, die Arabella immer noch krampfhaft umklammerte.
Es gab kein Entrinnen, keine Zuflucht. Mit dem Mut der Verzweiflung hob Arabella den Kopf und zwang sich, Dominic wieder anzuschauen. „Möchten Sie ein Glas Champagner, Euer Gnaden?“
Ohne die Frage zu beachten, musterte er sie immer noch mit seinen dunkelbraunen, so beunruhigend vertrauten Augen. Sekunden schienen Minuten zu dauern, während sie sich schweigend anstarrten.
Schließlich nahm er ihr ein Glas aus der Hand. „Der zweite Kelch ist wohl für Sie bestimmt, Miss Noir. Wollen wir unseren Champagner gemeinsam trinken? In der oberen Etage?“
Arabella blieb der Atem in der Kehle stecken, ihre Welt drohte einzustürzen.
Was das bedeutete, wusste sie.
Dominic hatte sich für sie entschieden.
Nur mühsam unterdrückte sie das Zittern, das ihren ganzen Körper zu erfassen drohte.
War es das Schlimmste, was ihr zustoßen konnte, oder das Beste? Fast sechs Jahre … Trotzdem glaubte sie manchmal immer noch, ihre Lippen würden von seinen Küssen brennen, ihre Haut von seinen Berührungen prickeln. Wenn sie sich diesem Mann nun für Geld hingeben müsste, würde es ihren Stolz zutiefst verletzen.
Wie gern hätte sie ihm den Inhalt ihres Glases ins Gesicht geschüttet und ihn wütend angeschrien, mit grausamen Worten abgewiesen und vor seinen Freunden lächerlich gemacht … Aber diese Genugtuung konnte sie sich nicht leisten. Sie musste ihren Zorn zügeln und an ihre Verantwortung denken, durfte die harten Tatsachen nicht vergessen, die sie in Mrs Silvers „Haus der bunten Freuden“ geführt hatten.
Und sie war ehrlich genug, um sich einzugestehen, wenn es denn sein musste, würde sie lieber mit Dominic schlafen als mit einem Fremden.
Erneut musterte sie die anderen Gentlemen im Salon, die verschwitzten Gesichter, von Alkohol gerötet, die blitzenden Augen, die ihre Gelüste verrieten. Ja, ohne jeden Zweifel – die
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