Historical Saison Band 17
nachgesehen. Ihr selbst, als Tochter eines unbedeutenden Viscounts, würde man nicht so nachsichtig begegnen, sollte man sie um diese Zeit hier entdecken. Zu ihrer eigenen Überraschung ließ dieser Gedanke sie nur amüsiert lächeln.
Als sie den Zaun erreichte, der in den verwilderten Teil des Gartens führte, schlüpfte Jessica hindurch, aber plötzlich war ihr ein wenig unwohl zumute. Der schmale Weg, der sich zwischen dicht gepflanzten Büschen entlangschlängelte, schien ihr auf einmal voller Gefahren zu sein. Doch da es keine andere Möglichkeit gab herauszufinden, was Jack im Schilde führte, zwang sie sich, ihm zu folgen.
Sobald sie sich an die Schatten gewöhnt hatte, erkannte sie die unerwartete Schönheit der Natur an dieser Stelle. In jeder anderen Lage wäre sie vielleicht stehen geblieben, um die berauschend duftenden, sternförmigen Blüten der exotischen Orangenbäume aus dem fernen Amerika zu bewundern, die Jacks Mutter hatte anpflanzen lassen. Gewiss hätte sie die schweren Blumen der Provence- und Bourbon-Rosen angehoben, um ihren süßen Duft einzuatmen. In der windstillen Nacht nahm sie auch das Aroma des Geißblatts wahr, ohne es inmitten des Pflanzenüberflusses entdecken zu können. Unwillkürlich fragte Jessica sich, warum dieser Ort so dicht mit Sträuchern bepflanzt worden war.
Dann kam sie sich recht dumm vor, als ihr die offensichtliche Antwort in den Sinn kam. Alles war so angelegt, dass ein Liebespaar ungestört sein konnte. Praktische Bänke und halb in den Blättern versteckte Nischen verrieten nur allzu deutlich, weswegen der verstorbene Duke of Dettingham und seine Gattin eine solche Vorliebe für ihre Gartenspaziergänge gezeigt hatten.
Als sie das Ende des Gartens erreichte und sich im eigentlichen Park wiederfand, fragte sie sich, ob Jack und sie ebenfalls laue Sommernächte wie diese miteinander genießen würden, falls sie schwach werden und zustimmten sollte, ihn zu heiraten. Da es keine Antwort auf diese Frage geben konnte, schob Jessica sie ungeduldig beiseite und konzentrierte sich auf ihre Aufgabe.
Welch erstaunlichen Gegensatz die offene Parklandschaft doch zu dem dunklen Pfad bildete. Riesige Bäume boten sich Jessica dar und ein atemberaubender Blick auf die Hügel, die das zauberhaft schöne Tal zärtlich umfasst hielten wie ein Liebhaber seine Geliebte. Dieses Mal konnte Jessica sich jedoch nicht in den Anblick vertiefen, sondern fragte sich, wie sie die mondbeschienene Idylle überqueren sollte, ohne von Jack entdeckt zu werden – oder von der Person, wer auch immer sie war, die er mitten in der Nacht hier zu treffen gedachte.
Jetzt begann auch noch ihr Knöchel zu schmerzen, und sie hielt inne. Wäre es nicht dumm von ihr, ihm weiter zu folgen? Selbst wenn er bis zum Hals in einem Abenteuer steckte, das sehr wahrscheinlich Richard Seaborne einschloss, würde Jack ihr nicht erlauben, sich darin verwickeln zu lassen. Also musste sie ihn überlisten. Am besten folgte sie dem Rand der letzten Sträucher, bis sie eine Gruppe von Kastanienbäumen erreichte, in der sich eine ganze Armee verstecken könnte. Innerlich schimpfte sie sich einen Dummkopf, weil sie die vielen eleganten Spazierstöcke, die ihre Brüder so gern für sie mitbrachten, zu Hause gelassen hatte. Wie sehr wünschte sie jetzt, wenigstens einen davon bei sich zu haben. Sie biss die Zähne zusammen und ging weiter, getrieben von einem Gefühl, das sie nicht zur Ruhe kommen ließ.
Zum Glück entdeckte sie nach einer Weile einen kleinen Haufen von Pfählen und Holzlatten, die wohl liegen geblieben waren, als der Zaun repariert worden war, und ein Pfahl erwies sich als stark genug, um ihr Gewicht zu halten. Erleichtert humpelte Jessica weiter, obwohl sie vermutlich so weit zurücklag, dass sie eigentlich genauso gut kehrtmachen und sich wieder ins Bett legen könnte. Mit seinen langen, schnellen Schritten war Jack jetzt womöglich schon in Ashburton, Bartram oder halbwegs an der walisischen Grenze. Und doch konnte sie sich nicht dazu bringen umzukehren, ohne zu erfahren, wen er treffen wollte und warum.
Sie erreichte die Baumgruppe und fasste seufzend ihr nächstes Ziel ins Auge. Wenn sie zu den Eichen weiter vorn gelangen konnte, ohne kopfüber hinzufallen, würden die sie zum hinteren Teil des Pavillons am See führen. Dort konnte sie wenigstens eine Weile sitzen bleiben, bis sie sich von dieser törichten Odyssee erholt hatte, und dann den Rückweg antreten.
So leise wie möglich setzte sie
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